Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung
Autoren: F Henz
Vom Netzwerk:
die du mich hinstellst?“ Mit einer genervten Geste strich sie ihr kurzes hellbraunes Haar hinters Ohr.
    Seufzend stieß sich Berit von der Tür ab. „Nein, natürlich nicht. Du hast ja recht, aber als ich die Funken zwischen dir und Hendrik fliegen sah, bekam ich es mit der Angst. Du hast dir was Besseres verdient als einen One Night Stand mit so einem Kerl.“ Sie streckte ihre Arme aus, ging auf Tessa zu und drückte sie an sich. Einen Moment lang hielten sie sich fest, dann wandte sich Berit ab und ging zur Tür. „Bis morgen, wir sehen uns beim Frühstück.“
    Tessa öffnete ihre Koffer und trug die Kosmetika ins Bad. Sie duschte und schlüpfte in ihren Pyjama, ehe sie sich in das breite, mit flauschigem Flanell bezogene Bett kuschelte. Erstaunlich schnell schlief sie ein.
    Als sie die Augen aufschlug, schien bereits die Morgensonne ins Zimmer, weil sie vergessen hatte, die Vorhänge zu schließen. Sie streckte sich und nahm ihre Armbanduhr vom Nachtkästchen. Kurz vor halb acht. Perfekt.
    Gähnend ging sie ins Bad, um sich präsentabel zu machen und räumte anschließend die mitgebrachten Kleidungsstücke in den Schrank.
    Da ihr Körper seine tägliche Koffeinration forderte und im Verweigerungsfall mit bohrenden Kopfschmerzen drohte, machte sie sich gehorsam auf den Weg nach unten zum Frühstück. Der Flur war mit einem moosgrünen Spannteppich ausgelegt, an den pastellgelb gestrichenen Wänden hingen gerahmte Fotografien der hiesigen Naturschönheiten. Alles wirkte sauber, adrett und mit liebevoller, vermutlich weiblicher Hand eingerichtet, wenngleich auch etwas abgewohnt. Die Holztreppe knarrte leise, als sie die Stufen hinunterstieg und an der unbesetzten Rezeption vorbeiging. Auf dem Tresen wies ein Schild mit der Aufschrift Frokost – Breakfast – Frühstück samt einem Pfeil den Weg zu einem Raum, in dem einige gedeckte Tische standen. Außer ihr war niemand zu sehen. Sie wählte einen Platz, von dem aus sie den Raum überblicken konnte, und legte ihren Schlüssel vor sich hin.
    Auf einer Anrichte befanden sich zwei Thermoskannen, ein Krug mit Orangensaft und ein großer, mit einer weißen Stoffserviette ausgelegter Korb. Daneben ein Müslispender und eine geöffnete Box mit Knäckebrot.
    Die Tür zum angrenzenden Raum stand offen und man hörte leises Rumoren. Unentschlossen blickte Tessa auf ihre Armbanduhr. Zehn nach acht. Sachtes Pochen in ihrem Hinterkopf erinnerte sie daran, dass sie Kaffee brauchte, und zwar schnell. Also beschloss sie, die Thermoskannen zu inspizieren. Sie musste sie nicht einmal öffnen, denn schon am Gewicht stellte sie fest, dass sie leer waren.
    „Frühstück gibt’s um acht“, sagte jemand hinter ihr und sie fuhr herum. Vor ihr stand eine Kreuzung aus Yeti, Hirtenhund und kanadischem Holzfäller. Vom Yeti hatte er die breiten Schultern und den massiven Brustkorb, vom Hirtenhund die schmutzig blonden Haarsträhnen, die ihm in die Augen hingen, und vom Holzhacker das rotkarierte Flanellhemd, dessen Knöpfe falsch zugeknöpft waren. Das alles registrierte sie im Bruchteil einer Sekunde und darüber hinaus sprang sie seine feindselige Aura derart unvorbereitet an, dass sie automatisch einen Schritt zurückwich. Einen zweiten, noch hastigeren Schritt von ihm weg machte sie, als sie seine Augen sah.
    Tot – war ihr erster Gedanke. Kontaktlinsen beschwichtigte ihr rationales Gehirn die aufsteigende Panik, denn kein normaler Mensch konnte eine Iris wie eine Milchglasscheibe haben.
    Sie straffte sich. Nach allem, was sie gehört hatte, stand sie wohl dem Hausherrn gegenüber. „Es ist bereits zehn nach acht“, sagte sie kühl. „Und ich brauche Kaffee. Heiß und stark und schwarz.“
    „Schon möglich. Aber es ist nicht acht.“ Er machte eine Kopfbewegung zu der an der Wand hängenden Uhr und stellte eine Platte mit Schinken und Käsescheiben auf die Anrichte.
    Tessa drehte sich um. Zehn vor acht. Sie blickte nochmals auf ihre Swatch. Viertel nach acht. Aber vielleicht hatte das Teil ja durch den Flug gelitten. Seufzend nahm sie sich ein Glas und goss Orangensaft ein. Während sie daran nippte, kehrte der Mann mit einer Glaskanne zurück und füllte den Inhalt in eine der Thermoskannen.
    „Berit Olsen sagte, dass jemand aus Deutschland kommen würde. Sind Sie das?“, fragte er dabei.
    Tessa nickte. „Ja. Tessa Wernhardt ist mein Name.“
    „Gut. Sie müssen noch das Gästeblatt ausfüllen und ich brauche Ihren Pass.“ Er schob die Thermoskanne zu ihr hinüber.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher