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Staatsverschuldung

Staatsverschuldung

Titel: Staatsverschuldung
Autoren: Aloys Hanno u Prinz Beck
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impliziten Staatsschuld wird anhand der Methode der
Generationenbilanzierung
geschätzt, welche die gegenwärtige und zukünftige Abgabenbelastung aller Bürger eines Landes ihren gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen an den Staat gegenüberstellt. Um die zukünftigen Ansprüche und Abgaben miteinander vergleichbar zu machen, muss man sie auf den Gegenwartswert abzinsen, also dem Umstand Rechnung tragen, dass 100 Euro heute (wegen alternativer zinstragender Anlagemöglichkeiten) mehr wert sind als 100 Euro in zehn Jahren. Vereinfacht gesagt macht man Folgendes: Man zählt zuerst alle heutigen und zukünftigen Abgaben aller Bürger zusammen und zinst sie auf ihren heutigen Wert ab, dann zählt man alle heutigen und zukünftigen Ansprüche der Bürger an den Staat zusammen und zinst diese ebenfalls auf die Gegenwart ab. Falls der Gegenwartswert der Leistungsversprechen des Staates höher ist als derjenige der Abgabenzahlungen, besteht eine implizite Staatsverschuldung in Höhe dieser Differenz.
    Während die explizite Staatsverschuldung also das Ergebnis vergangener Haushaltsdefizite darstellt, ist die implizite Staatsverschuldungsozusagen das Ergebnis zukünftiger Haushaltsdefizite und gibt damit an, welche nicht finanzierten Verbindlichkeiten den Staat in Zukunft erwarten. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat anhand dieses Konzepts ermittelt, dass die Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2008 insgesamt fast 315 Prozent des Sozialprodukts betrug. 63 Prozentpunkte davon entfielen auf die explizite, also offen ausgewiesene Staatsverschuldung, die restlichen 251 Prozentpunkte resultierten aus der impliziten Staatsverschuldung. Um es deutlicher zu sagen: Wollte die Bundesrepublik Deutschland heute mit einem Schlag sich aller ihrer Schulden (also der expliziten und der impliziten) entledigen, so müssten wir mehr als drei jährliche Sozialprodukte bezahlen[ 5 ]. Damit steht Deutschland international im Mittelfeld: Für die Vereinigten Staaten schätzt man die implizite Staatsverschuldung auf 567 Prozent, diejenige Großbritanniens auf 530 Prozent und diejenige Frankreichs auf 255 Prozent. Die Schweiz weist als einer der wenigen Staaten eine implizite Staatsschuld von minus 155 Prozent aus – die Generationenbilanz der Schweizer prognostiziert also zukünftige Budgetüberschüsse in Höhe von anderthalb Sozialprodukten heutigen Werts[ 6 ].
    Allerdings kämpft die Schätzung der impliziten Staatsverschuldung mit einigen methodischen Problemen, welche die Ergebnisse angreifbar machen. Da ist zunächst einmal die Abzinsung der zukünftigen Zahlungen und Leistungen auf den heutigen Wert. Je nachdem, welchen Zinssatz man als Abzinsungsfaktor verwendet, ändern sich die Ergebnisse deutlich. Wenn der Staat beispielsweise in zehn Jahren 5000 Euro an einen Bürger zahlen muss, so sind diese 5000 Euro bei einem Zinssatz von jährlich zwei Prozent dann so viel wert wie heute 4101 Euro (oder andersherum, eine Spareinlage von 4101 würde bei zwei Prozent Zinsen p. a. in zehn Jahren auf 5000 Euro anwachsen). Verdoppelt sich der Zinssatz auf vier Prozent, so sind die gleichen 5000 Euro in zehn Jahren nur noch so viel wert wie heute 3378 Euro. Je nachdem, welchen Zinssatz man also verwendet, um die zukünftigen Zahlungen auf den heutigen Tag abzuzinsen (was man aber machen muss, um sie vergleichbar zu machen),können sich die Ergebnisse deutlich ändern. Je höher der verwendete Zinssatz, umso geringer wird die implizite Staatsverschuldung aus den zukünftigen Verpflichtungen.
    Eine weitere Schwachstelle bei der Berechnung der impliziten Staatsverschuldung ist der Zeithorizont: Wie weit wollen wir in die Zukunft schauen, wenn wir die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben des Staates zusammenzählen? Viele Studien betrachten 50 oder 75 Jahre, andere legen keinen Endpunkt fest und wagen sozusagen den Blick in die Unendlichkeit, wobei allerdings sehr weit in der Zukunft liegende Zahlungen aufgrund der Abzinsung mit einem verschwindend geringem Gewicht in die Berechnungen eingehen. Ebenfalls erschwert wird die Berechnung der impliziten Staatsschuld dadurch, dass man bei diesem Blick in die Zukunft Annahmen über Bevölkerungsentwicklung und Wachstum des Sozialprodukts machen muss – und mit jeder Veränderung dieser Annahmen variiert auch das Ergebnis.
    Der wichtigste Einwand gegen die hier dargestellte Berechnung der impliziten Verschuldung aber besteht darin, dass sie immer nur eine
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