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Spritztour - Roman

Spritztour - Roman

Titel: Spritztour - Roman
Autoren: Andy Behrens
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hatten die drei immer am Wochenende vor Beginn des neuen Schuljahres ihren Vorort Naperville verlassen und die Tage bei Lances’ windigem Cousin Doug in Chicago verbracht. Klar, dass Lance das Ereignis nach sich benannt hatte.
    Lance ließ nicht locker.
    »Nun komm schon. Kann doch wohl nicht sein, dass Ian Lafferty auf das Einzige verzichten will, was zwischen Juni und September wenigstens entfernt was mit Leben zu tun hat. Du bist doch dabei, oder? Ich fahre heute nach Hause und morgen schweben wir in die Stadt.« Dann, ein Stück vom Hörer entfernt, sagte Lance: »Obwohl ich mich natürlich auch überzeugen lassen könnte, noch ein bisschen hierzubleiben …«
    Ein gedämpfter, feuchter Schmatzlaut, gefolgt von weiblichem Gelächter. Dann war Lance wieder am Apparat.
    »Also, Ian, du fährst uns doch mit deiner Kreatur, oder? Wann kommt Felicia zurück, Alter? Hast du was von ihr gehört?«
    »Ähm, nein«, sagte Ian. »Ich habe von Felicia nicht mehr gehört, seit – he, warte mal, warum denn mein Auto? Warum können wir nicht mit deinem …«
    Ron bewegte sich knurrend auf Ian zu. »In fünfzehn Minuten sind die ersten Kunden da, Ian! Die Senioren! Die erfreuen sich beim Walking gerne an einem vollmundigen koffeeinfreien Getränk.« Er hielt sich die fleischige Faust vor den Mund und erstickte den nächsten Rülpser.
    Verärgert fragte Ian Lance: »Warum können wir nicht mit deinem Auto fahren?«
    »Weil wir meinen Mazda nicht dem Stadtverkehr aussetzen können, ohne seine Gesundheit zu riskieren. Deine Kreatur ist bloß ein Fünfzig-Dollar-Wagen.«
    »Zu seiner Zeit war das ein Luxusgefährt. Und außerdem habe ich ihn für drei hundert undfünfzig Dol…«
    »Also, du bist dabei. Super. Sehr gute Nachricht. Ich kann’s kaum erwarten. Hör mal, Alter …« Wieder Mädchenkichern. »Ich muss jetzt Schluss machen.«
    Ian hörte ein Rascheln im Hörer, ein kurzes Auflachen, dann eine beschwipste weibliche Stimme.
    »Halloooo?«, sagte sie.
    »Ähm … hallo. Wer bist du?«, fragte Ian.
    »Lances’ letzte Flamme in diesem Sommer, glaube ich. Obwohl, er ist ja noch ein paar Stunden hier, also, wer kann das wirklich wissen …?« Die Stimme verlor sich in einem Schmatzer, der wahrscheinlich Lance galt.
    Es verstrichen mehrere peinliche Sekunden. Ian hätte beinahe aufgelegt. Doch dazu war er viel zu fasziniert. Er hatte noch nie ein Mädchen geküsst, noch nie. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern, jemals eine geküsst zu haben. Es hatte zwar, als er in der zehnten Klasse war, jene katastrophale Felicia-Dosenbier-Plastik-Hirsch-Szene gegeben, aber das war in seinen Augen kein romantisches Intermezzo gewesen, sondern eher eine persönliche Tragödie. Felicia und Ian hatten sich zum ersten Mal in ihrem Leben unerschrocken betrunken und gegen Ende der Party sollen sie sich geküsst haben. Jedenfalls war Ian das von halbwegs verlässlichen Zeugen berichtet worden. Er konnte sich an den Vorfall nicht erinnern und mit Felicia hatte er nie darüber gesprochen. Der Abend hatte damit geendet, dass er im Vorgarten einem Plastik-Hirsch seine unsterbliche Liebe gestanden, dann auf besagten Hirsch gekotzt hatte und auf dessen Plastikhufen eingeschlafen war. Alles in allem eine sehr, sehr üble Nummer.
    Lance und das beschickerte Mädchen setzten ihren eher konventionellen Kuss noch mehrere Sekunden lang fort, bevor das Mädchen wieder an den Apparat kam.
    »He, bist du auch so ’n Typ wie Lancey?«, fragte sie. »Hast du ’ne Freundin oder so?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Keine Freundin.«
    Im Hintergrund hörte Ian Lances’ Stimme. »Ian ist ein netter Junge.« Nett klang wie ein Schimpfwort. Lance nutzte jede Möglichkeit, um Ian vorzuhalten, dass er zu verantwortungsbewusst, zu freundlich, zu gefühlsbetont, zu … nun, einfach zu nett war, um Mädchen heiß zu machen. Normalerweise verdrehte Ian bei dieser Aufzählung bloß die Augen, aber zu Herzen nahm er sich das schon. Schließlich wollte er, dass Mädchen ihn mochten. Oder wenigstens zur Kenntnis nahmen.
    Ron hustete auffällig, blickte Ian scharf an und tippte mit dem Finger auf seine Armbanduhr. Das Mädchen redete weiter.
    »Weißt du, Ian«, sagte sie. »Irgendwas ist schon dran an den Jungs, die vielleicht nicht immer so rücksichtsvoll sind. Wie dein alberner Freund hier.« Ian hörte kaum zu. »Ich meine, ruft der mich mal an? Nein. Geht er mit mir irgendwohin? Natürlich nicht. Aber erwartet er, dass ich bei meinen Eltern Alk klaue und mich
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