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Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel
Autoren: Lotte Kinskofer
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Schritten entgegen.
    »Broderkampp. Meine Tochter ist Ihre Patientin.«
    Er sprach nicht zu laut, aber sehr deutlich. Jamina verstand jedes Wort. Sie setzte sich wieder, unbemerkt von Yoyos Vater und dem Arzt belauschte sie deren Gespräch.
    »Ich möchte, dass meine Tochter heute noch mit mir nach Hause kommt.«
    »Wir würden sie gerne hierbehalten.«
    »Ich denke, daheim hat sie die bessere Pflege.«
    »Wer kümmert sich denn um sie?«
    »Ich habe eine Hausangestellte. Aber wenn Sie darauf bestehen, ich kann auch eine Pflegekraft engagieren.«
    Es sollte wohl ironisch klingen, aber der Arzt verzog keine Miene.
    »Kann das nicht jemand übernehmen, der Ihrer Tochter nähersteht?«
    Der Vater wurde in diesem Moment fünf Zentimeter kleiner. Zumindest kam es Jamina so vor. Er sackte in sich zusammen, er sprach leiser.
    »Meine Frau ist vor einigen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Falls es das ist, was Sie wissen wollen.«
    »Das tut mir leid.«
    Kurzes Schweigen.
    »Vielleicht sollten wir im Arztzimmer weiterreden«, schlug der Arzt vor, aber Herr Broderkampp hörte ihn gar nicht, so sehr war er in seine Gedanken vertieft.
    »Das war sehr schwer für uns, gerade auch für Nele.«
    Der Arzt nickte, er sprach so leise, dass Jamina ihn kaum verstehen konnte. »Ihre Tochter wirkt labil und emotional sprunghaft.«
    Der Vater nickte. »Ich habe sie damals in psychologische Behandlung geschickt. Die sie leider nicht fortsetzen wollte.«
    »Aber Sie haben doch sicher mit ihr darüber geredet?«
    »Sie ignoriert mich. Ich habe wirklich alles versucht – aber ich komme nicht an sie ran.«
    Der Arzt sah ihn ernst an. »Denken Sie, Ihre Tochter wollte sich etwas antun?«
    Der Vater zuckte nur die Schultern.
    »Vielleicht sollten Sie sich gemeinsam professionelle Hilfe holen. Zum Beispiel bei einem Familientherapeuten.«
    »Danke, ich habe kein Bedürfnis nach einem Seelenklempner.«
    Der Ton wurde wieder schärfer. Der Stationsarzt musterte ihn nachdenklich.
    »Wann kann ich den Chefarzt sprechen?«
    Jetzt war er wieder der überhebliche, selbstbewusste Mann, der aus Yoyos Zimmer gekommen war.
    Wie alleine ist man auf der Welt, wenn man so einen Vater hat, überlegte Jamina. Der viel Kohle verdient, aber keine Zeit hat. Der sich aufführt, als wäre er hier der Boss. Nichts von Therapie wissen will, weil's da vielleicht mal um was anderes gehen würde als um Zahlen und Fakten und Geld. Oder hatte er einfach Angst davor, über Gefühle zu reden?
    Wenigstens das war nicht gelogen. Yoyo war mutterseelenallein auf der Welt. Sie hatte einen Vater, aber keine Familie. Kein Wunder, dass sie sich bei ihnen zu Hause so wohlgefühlt hatte.
    Das Zimmer sah freundlich und hell aus, aber es roch nach Krankenhaus, nach Desinfektion und Sauberkeit. Jamina hatte geklopft, keine Antwort. Dennoch war sie hineingegangen. Wenn sie es jetzt nicht schaffte, würdesie es nie mehr hinkriegen. Aber sie musste mit Yoyo reden. Wenigstens noch einmal.
    Sie erkannte ihre Freundin kaum wieder. Sie sah so klein und erschöpft aus, wie sie da im Bett lag. Das gebrochene Bein geschient und hochgelegt. Die Haare blond, aber der dunkle Ansatz war jetzt deutlich zu erkennen. Die Augen geschlossen, den Kopf zur Seite gelegt, ein Pflaster über der linken Augenbraue. Kopfhörer übergestülpt, den MP3-Player auf der Decke. Das zweite Bett im Zimmer war leer. Auf dem Nachtkästchen Tee und Wasser. Nirgendwo Blumen.
    Jamina überlegte einen Moment, dann wandte sie sich um und ging leise zurück zur Tür. Sie wollte Yoyo nicht beobachten beim Schlafen. Sie aber auch nicht wecken. Sie würde die Zeit nutzen, um hier im Krankenhaus Blumen zu besorgen. Ein Krankenzimmer ohne Blumen war zu traurig.
    »Geh nicht weg.«
    Jamina zuckte zusammen, als sie Yoyos Stimme hörte, leise, bittend. Sie drehte sich um. Yoyo lächelte ihr entgegen, nahm die Kopfhörer ab und streckte die Hand aus.
    »Ich wollte nur schnell Blumen besorgen.«
    »Hauptsache, du bist da.«
    Jamina sah sich um. Ein Tisch und zwei Stühle standen da, sie wollte sich einen der Stühle nehmen, aber Yoyo klopfte neben sich auf die Matratze.
    »Platz genug.«
    Jamina ging zum Bett und setzte sich auf die Kante. Yoyo nahm ihre Hand.
    »Ich bau einfach immer nur Scheiß.«
    »Machen wir doch alle.«
    »Du eher selten.«
    Yoyo sagte es ohne jeden ironischen Unterton.
    »Beinahe hätten sie mich in die Klapse gesteckt.«
    »Aber du wolltest doch nicht …« Jamina beendete den Satz nicht.
    Yoyo grinste.
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