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Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel
Autoren: Lotte Kinskofer
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ihregal, ob sie stürzt, deshalb kann sie hier tanzen, als ob es keine Zukunft mehr gäbe, dachte Jamina. Da spürte sie, wie Yoyo sie packte.
    »Auf drei.«
    »Nein!«
    »Na los, ich bin doch bei dir.«
    »Ich will nicht!«
    »Es ist bestimmt ein geiles Gefühl. Einfach fliegen … egal, was dann passiert.«
    In Jamina stieg Panik hoch. Yoyo ließ sie nicht los. Diese Kraft war unheimlich. Sie versuchte freizukommen.
    »Wenn du nicht mitmachst, spring ich allein. Dann geh ich unter – und alle werden sagen, es ist deine Schuld.«
    »Bitte, Yoyo, tu's nicht.«
    In diesem Moment ließ Yoyo sie los. Sie stand ganz weit vorne, ruderte mit den Armen, lachte laut.
    Jamina wollte sie halten, fasste nach ihrem Arm, bekam aber nur noch den Ärmel zu fassen. Doch da passierte es. Yoyo wollte dem Rettungsversuch offenbar ausweichen und mit einem lauten Schrei stürzte sie in die Tiefe.

30. Kapitel
    In eine warme Decke gepackt saß Jamina auf der Liege. Die Schwester reichte ihr eine Tasse Tee.
    »Wo ist Yoyo?«
    »Deine Freundin?«
    Jamina nickte.
    »Sie wird noch ärztlich versorgt.«
    »Ist es schlimm?«
    »Ihr habt verdammtes Glück gehabt, weißt du das eigentlich?«
    Jamina antwortete nicht, sie blies in den Tee und schloss die Augen, als der warme Dampf aufstieg.
    »Was fehlt ihr?«
    Sie wollte es wissen. Jetzt. Sofort.
    »Sie hat sich ein Bein gebrochen und eine Platzwunde am Kopf, die genäht werden muss. Außerdem wird sie natürlich komplett durchgecheckt.«
    »Ich hätte ihr sofort nachspringen sollen.«
    »Bist du lebensmüde? Das hätte noch schlimmer ausgehen können!«
    »Ich hab's echt vom Ufer aus versucht … Bin rein ins Wasser, aber da war die Welle. Die hab ich unterschätzt.«
    »Gut, dass da noch ein Surfer war.«
    Jamina sah sie fragend an, sie konnte sich an niemanden erinnern.
    »Er hat deine Freundin rausgezogen und den Krankenwagen geholt, erinnerst du dich?«
    »Ich hätte sie nicht retten können.«
    »Es ist doch alles noch mal gut gegangen.«
    Jamina seufzte. Sie schloss die Augen vor Erschöpfung, öffnete sie aber gleich wieder, weil diese Bilder sofort auftauchten.
    Yoyo, wie sie die Hand nach ihr ausstreckt, wie sie die Hand nicht mehr loslassen will.
    Yoyo, die sich losreißt, als sie sie festhalten will.
    Wie Yoyo springt, die Arme weit ausgebreitet, als wollte sie aufsteigen zum Himmel und fliegen wie ein Vogel.
    Der Sturz, ihr Schrei, das Aufklatschen im Wasser und die Welle, die sie sofort mitnimmt.
    Ich musste sie doch hindern, dachte Jamina. Aber vielleicht war genau das der Moment, in dem sie das Gleichgewicht verloren hat. Als ich nach ihrem Arm fasste, nur den Ärmel erwischte … Vielleicht wollte sie nicht angefasst werden. Aber ich konnte doch nicht einfach zusehen …
    Das Donnergrollen, die Blitze, der prasselnde Regen und sie, die sie wie gelähmt auf die Welle starrt, aus der Yoyo kurz auftaucht, um dann wieder zu verschwinden.
    Wie sie von der Brücke ans Ufer läuft, sich ins Wasser stürzt, selbst beinahe von der Welle erfasst wird, der Surfer sie zurückzieht und dann Yoyo zu packen kriegt …
    »Was ist denn eigentlich passiert?«
    Die Krankenschwester holte sie aus ihrem Albtraum heraus.
    »Ich weiß es nicht mehr genau …«
    »Wahrscheinlich stehst du noch unter Schock«, mutmaßte die Schwester.
    »Vielleicht habe ich sie gestoßen …«
    »Kann es sein, dass sie springen wollte?«
    Ja, das wollte sie, dachte Jamina. Zumindest hatte sie das gesagt. Aber wollte sie es wirklich? Tot sein wie ihre Mutter? Mit dem Wagen gegen den Brückenpfeiler. Einfach so. Auf gerader Strecke.
    Vom Brückenpfeiler ins Wasser. Einfach so. Mal sehen, was passiert …
    »Ich mag mir das nicht vorstellen.«
    Jamina schloss wieder die Augen, um dem forschenden Blick auszuweichen. Doch da kamen die Bilder wieder.
    Wie sie von der Brücke hinunterläuft ans Ufer.
    Wie sie nach Yoyo Ausschau hält, sie nicht sehen kann.
    Kaum noch Luft kriegt, weint und schreit und weint und schreit. Von wegen geiles Gefühl und einfach fliegen. Es ging um Leben und Tod.
    Ein Mann im Neoprenanzug, der gerade dabei war, seine Sachen zusammenzupacken. Er zieht sie zurück. Dann springt er hinein, greift nach Yoyos Arm, der unvermutet aus dem Wasser ragt wie ein Hilfeschrei.
    Sie sieht vom Ufer aus zu und klappert mit den Zähnen. Wie kalt das Wasser ist. Im Mai … Eiskalt. Eiswasser. Eisbach.Immer wieder dieselbe Frage: Hat Yoyo das Gleichgewicht verloren, weil ich sie festhalten wollte?
    Tränen traten ihr
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