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Sprich nicht darüber

Sprich nicht darüber

Titel: Sprich nicht darüber
Autoren: Graham Lynne
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wusste ich gar nichts von Ihrer Existenz! Ich begriff nicht, was er meinte – und von seinem letzten Willen erfuhr ich erst gestern.” Erneut überkam ihn die Wut, er bebte am ganzen Körper. “Er hatte ein neues Testament aufgesetzt. Wenn der Presserummel Thespina nicht so zusetzen würde, brächte ich Sie vor Gericht für Ihre Gier und Berechnung, bevor Sie eine einzige Drachme zu sehen bekämen!”
    “Ein neues Testament?” Rosie biss die Zähne zusammen und zwang sich, die hässlichen Anspielungen zu überhören. Nur ihre Wangen wurden heiß vor Wut. Zumindest wusste sie jetzt, was Constantin Voulos hier wollte und warum er sich so aggressiv verhielt. Offenbar hatte Anton ihr in seiner Halsstarrigkeit etwas vermacht, obwohl sie das immer strikt abgelehnt hatte.
    Constantin ließ sie nicht aus den Augen. “Vor einigen Monaten äußerte Thespina mir gegenüber den Verdacht, Anton könnte ein Verhältnis haben. Ich habe sie laut ausgelacht! Ich hielt ihr vor Augen, dass Anton nur wegen seines neuen Geschäftsprojekts so viel Zeit in London verbrachte. Wie naiv ich war. Ich unterschätzte den Reiz, den Jugend und Schönheit selbst auf diesen ehrbarsten aller Männer ausüben können. Anton war vernarrt in Sie … Er starb mit Ihrem Namen auf den Lippen.”
    “Er hat mich geliebt”, sagte Rosie leise. Tränen brannten in ihren Augen, sie musste sich abwenden.
    “Und ich würde mich eher umbringen lassen, als dass Thespina davon erfährt”, gab Constantin zurück.
    Rosie begriff. Offensichtlich wusste Constantin Voulos keineswegs, wer sie war. Er dachte, sie sei Antons Geliebte, die er nach seinem Tod versorgt wissen wollte. Es war lächerlich, aber ihr war nicht zum Lachen. Sie presste die Lippen fest zusammen. Anton hatte die Wahrheit für sich behalten, um seiner Frau nicht weh zu tun. Er nahm den Fehltritt von vor achtzehn Jahren mit ins Grab. Und Rosie war es ihrem Vater schuldig, diesen Wunsch zu achten. Wem sollte eine Enthüllung auch nutzen?
    Rosie war nicht auf eine Erbschaft angewiesen. Sie konnte auf eigenen Füßen stehen und wollte Antons Witwe nichts streitig machen. Mit dem Ring war es eine andere Sache. Er stellte das Symbol der Verbundenheit mit einer Familie dar, die ihr all die Jahre lang so sehr gefehlt hatte.
    “Wie Sie sehen, reise ich ab.” Rosie hob stolz den Kopf und musterte den einschüchternden Mann mit unverhüllter Feindseligkeit. “Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde niemanden in Verlegenheit bringen.”
    “Wenn es so einfach wäre, hätte ich mir diese unerfreuliche Begegnung erspart”, schoss Constantin zurück. “Ich hätte Sie einfach aus dem Haus geworfen.”
    Rosie brachte ein spöttisches Lachen zustande. Allmählich erwachte ihr alter Kampfgeist. “Nein, wirklich?”
    Misstrauisch sah Constantin zu dem offenen Koffer hinüber. “Vielleicht wollen Sie nur ein paar Tage verreisen. Ich glaube einfach nicht, dass Sie für immer verschwinden werden.”
    Rosie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. “Sie sind wohl gar nicht von sich überzeugt, wie? Warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, Sie von irgend etwas überzeugen zu wollen?”
    Constantins Gesicht wurde tiefrot, sie hatte ihn getroffen. “Ich werde mich nicht soweit herablassen, mit einer Hure herumzustreiten.”
    Rosie besaß eine scharfe Zunge, mit der nicht leicht jemand mithalten konnte. Doch mit so einer Beleidigung hatte sie nicht gerechnet. Sie bebte vor Zorn. “Raus!” rief sie. “Verlassen Sie sofort das Haus, sie widerliches Ekel!”
    “Erst, wenn Sie mir eine Frage beantwortet haben”, gab Constantin ungerührt zurück. “Sind Sie schwanger?”
    Rosie erstarrte.
    Constantin blickte anzüglich auf ihre weit geschnittene Bluse. “Falls Sie schwanger sind – und nur dann – könnte ich Antons Verhalten verstehen”, sagte er schroff. Aber auf Rosie wirkte er eher verunsichert.
    Die möglichen Konsequenzen machten ihm sichtlich zu schaffen. Seine gebräunte Haut wurde regelrecht grau. Aber wie Constantin Voulos erst schlucken würde, wenn Rosie ihm ihre wahre Beziehung zu Anton enthüllte. Die Vorstellung verschaffte ihr eine boshafte Befriedigung.
    Antons Kind – ehelich oder nicht – hätte selbstverständlich gewisse Ansprüche auf sein Vermögen. Wenn Rosie Constantin aufklärte, könnte sie dieselben Rechte geltend machen. Sie war Antons Tochter, sein einziges Kind, der letzte Spross der Familie Estrada. Wie konnte Constatin es wagen, sie als berechnende Erbschleicherin
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