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Sprich nicht darüber

Sprich nicht darüber

Titel: Sprich nicht darüber
Autoren: Graham Lynne
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treue, liebevolle Gattin, und er hatte sie grausam betrogen. Die Tatsache, dass Thespina von dem Betrug nichts wusste und auch nichts erfahren sollte, machte es für Rosie nicht gerade leichter, mit der konkreten Existenz dieser Frau fertig zu werden.
    Eine Woche lang stahl sich Rosie in die Klinik. Ihr angeborener Optimismus überwand bald die verzweifelte Sorge um Antons Befinden. Er war erst 55. Er hatte zu viel gearbeitet. Ach, wie oft hatten sie über eine ruhige, behagliche Zukunft gesprochen. Keiner von beiden hatte damit gerechnet, dass die Zukunft in ein paar Wochen zu Ende sein würde.
    Anton hatte einen Genesungsurlaub gemacht, eine Kreuzfahrt zu den griechischen Inseln. Und an dem Tag, als er nach London zurückflog, kam der zweite Herzinfarkt.
    “Innerhalb von Minuten war es vorbei”, hatte seine Sekretärin am Telefon geschluchzt. Wortlos legte Rosie auf. Selbstverständlich konnte sie nicht zum Begräbnis nach Griechenland fahren, stattdessen ging sie zur Trauerfeier. Und lief dabei ausgerechnet Constantin Voulos in die Arme.
    Hätte sie doch besser aufgepasst! Die gestrige Begegnung mit ihm hatte Rosie total aufgewühlt. Sie hätte auch längst ihre Sachen packen und nach Haus fahren sollen. Aber sie wollte in aller Stille in diesem kleinen Haus von ihrem Vater Abschied nehmen, den sie so kurz gekannt hatte.
    “Rosalie …?”
    Ihr Puls setzte einen Moment aus, die Kehle wurde ihr trocken. Erschrocken fuhr sie herum.
    Constantin Voulos stand auf dem Treppenabsatz vor ihrem ehemaligen Schlafzimmer. Er atmete schwer, sein kantiges, attraktives Gesicht wirkte wie eine harte, zornige Maske, als er auf Rosie zukam. “Das ist doch Ihr Name, nicht?”
    “Was wollen Sie hier?” brachte sie heraus. Kalte Furcht stieg in ihr auf. “Wie sind Sie hereingekommen?”
    “Sie niederträchtige kleine Hexe”, fuhr Constantin sie an. Mit seiner eindrucksvollen Körpergröße blockierte er die Tür, sodass Rosie nicht hinaus konnte. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen, sein intensiver Blick schien sie direkt festzunageln.
    Rosie riss sich zusammen und straffte die schmalen Schultern. Sie war blass geworden, aber sie gab nicht klein bei. “Ich weiß nicht, wer Sie sind und was Sie wollen …”
    “Sie wissen genau, wer ich bin!” erwiderte Constantin ungerührt und kam drohend einen Schritt näher.
    “Lassen Sie mich in Ruhe!” Fieberhaft überlegte Rosie, wie er sie gefunden haben konnte und wie viel er von ihr wusste.
    “Ich wünschte, ich könnte. Nichts wünschte ich mir mehr”, stieß Constantin hervor. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, seine ganze Haltung drückte Wut aus, sein Blick war wie eine Sturmwarnung.
    Rosie wich zurück, bis sie mit den Beinen die Bettkante berührte. “Was wollen Sie von mir?”
    “Ich würde Sie am liebsten vom Erdboden verschwinden lassen, aber das kann ich nicht – und das macht mich rasend. Wie konnten Sie Anton zu so einer Verrücktheit treiben?”
    “Zu … was?” flüsterte Rosie verständnislos. Sie hatte solche Angst, dass sie nicht klar denken konnte.
    “Wie haben Sie diesen grundehrlichen, aufrichtigen Menschen dazu gebracht, seine Würde und seine Familie zu verraten?” schnaubte Constantin.
    “Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.”
    “Sie wissen nicht, was Anton wenige Tage vor seinem Tod veranlasst hat?” fuhr Constantin sie an. Er warf einen Blick auf den Koffer auf dem Bett und hob verächtlich die Mundwinkel. “Soll ich Ihnen wiederholen, was er als Letztes sagte, als er in meinen Armen starb?”
    Benommen schüttelte Rosie den Kopf. Die dunkelroten Locken fielen ihr in die Stirn. Sie hatte nicht geahnt, dass Constantin in Antons Sterbestunde bei ihm gewesen war. Seltsamerweise schmolz bei dem Gedanken der kalte Klumpen ein bisschen, den sie seit jenem schrecklichen Tag im Magen spürte. Die Sekretärin hatte voreilig angenommen, Anton sei allein gestorben. Constantin war bei ihm gewesen, und Rosie wusste, was das für ihren Vater bedeutet haben musste.
    Constantin lachte laut und rau, es erschreckte Rosie. Im Blick seiner dunklen Augen lag unverhüllter Abscheu. “Er kämpfte um jedes Wort, und er sprach nur von Ihnen!”
    “Oh …” Das klang so hilflos, wie Rosie sich fühlte. Sie erkannte Constantins Schmerz, aber sie wollte ihn nicht wahrhaben. Sie wollte überhaupt nichts mit Constantin Voulos zu tun haben.
    “Ich musste ihm bei meiner Ehre schwören, Sie zu beschützen und seinen letzten Willen zu respektieren. Dabei
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