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Sprechen wir über Musik: Eine kleine Klassik-Kunde (German Edition)

Sprechen wir über Musik: Eine kleine Klassik-Kunde (German Edition)

Titel: Sprechen wir über Musik: Eine kleine Klassik-Kunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Kaiser
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es nicht einmal.
     
    Will man als professioneller Schreiber einen positiven Text verfassen, braucht man geradezu künstlerisches Talent, um nicht in diesen omnipräsenten Werbejargon abzurutschen. In einer Jubelarie über den Schwanensee zu schreiben, die Tänzerin trug ein blendend weißes Kostüm, würde den Leser sofort an Waschmittel- oder Zahnpastawerbung denken lassen. Hätte man hingegen etwas an der Inszenierung oder musikalischen Darbietung zu bekritteln, könnte man es genau begründen, mit Argumenten und einem Vokabular, das frischer und origineller klingt und deshalb einfacher zu handhaben ist.
    Ja, Musik soll das Herz bewegen. Vor allem aber benutze ich das Wort »herzbewegend« so häufig, weil andere es so selten benutzen. Aber es hilft nichts: So gern ich mittlerweile lobe, Verrisse schreiben sich leichter. Und auch die Leser ergötzen sich daran – aus purer Schadenfreude.

KAPITEL II
Auf der Bühne, hinter der Bühne
    Was macht einen Heldentenor aus?
Ist falsch spielen eine Sünde? Und müssen
Pianisten auswendig spielen?

Früh übt sich
    Führt ein Königsweg zur klassischen Musik?
     
    Häufig ist es doch so: Will man jungen Leuten etwas Gutes tun, schenkt man ihnen zum Geburtstag, zur Firmung, zu Weihnachten eine Kassette mit allen Bruckner-Symphonien, mit allen Beethoven-Sonaten, mit dem gesamten Orchesterwerk von Brahms und denkt sich: Was für ein tolles Geschenk! Falsch gedacht. Diese allerschönsten Kassetten werden nämlich unberührt, unerhört, unerlöst verstauben. Gleiches gilt natürlich für verschenkte Schiller- oder Goethe-Gesamtausgaben.
    Und warum? Weil man des Guten zu viel tut, weil man überschenkt, überfordert. Meine Erfahrung – das war auch bei meinen eigenen Kindern so – ist die: Man muss sich die Mühe machen, sich selber zu engagieren. Man muss den Jüngeren dazu verhelfen, dass sie von einem bestimmten Werk begeistert sein können. Dabei darf man nicht pädagogisch heucheln, sondern muss im Gespräch verdeutlichen, warum einen etwas besonders ergreift, warum man etwas fragwürdig findet oder warum eine Interpretation, die zwar korrekt ist, langweilig erscheint und eine andere, nicht ganz so korrekte hingegen faszinierend wirkt.
    Man muss also glaubhaft die Wichtigkeit einer Komposition vermitteln. Je früher, umso besser. Dann weckt man Interesse. Ist das gelungen, hat man schon gewonnen. CDs verschenken ist nur eine Vorbedingung, wenn auch eine wichtige. Musik verschenken heißt aber eigentlich: Zeit für Hinwendung und ansteckende Leidenschaft. Das ist der wahre Königsweg.

Gute Sänger, schlechte Sänger
    Wie wichtig ist die Schauspielkunst in der Oper?
     
    Es mag ein Fortschritt sein, dass bei heutigen Opernaufführungen verstärkt auf die Schauspielfähigkeiten der Sänger geachtet wird. Sie wallen oder schreiten nicht mehr primadonnenhaft über die Bühne, seit Sprechtheaterregisseure wie Patrice Chereau, Herbert Wernicke oder Martin Kusej die Opernhäuser erobert haben, sondern versuchen, ihre Rolle lebendig zu gestalten. Im Idealfall ergibt sich dadurch ein neuer Blick auf die dargestellte Figur und somit auch auf das Werk.
    Dass aber ein Sänger durch darstellerische Begabung eine nur mittlere Stimmkraft ausgleichen kann, bezweifle ich. Im Gesang kommen viel mehr Affekte zum Ausdruck, als es jeder noch so hingebungsvollen Opernregiearbeit möglich ist. Auch textlich kann man zum Beispiel aus Belcanto-Opern nicht allzu viel herausholen. Bellinis Norma, Donizettis Lucia di Lammermoor, Rossinis Barbier von Sevilla oder Verdis Traviata verfügen über verhältnismäßig harmlose, manchmal fast albern verwirrende Libretti.
    Es ist kein Zufall, dass man bei Wagner- oder Strauss-Opern den Versuch unternommen hat, die Dialoge nur zu sprechen. Dabei entpuppten sich etwa die Texte der Meistersinger oder des Rosenkavaliers als anspruchsvoll und hochinteressant. Dennoch reichen Worte nie an die Musik heran: Sie transportiert das Seelische gleich in mehreren Dimensionen.
     
    Gutes, ausdrucksstarkes Singen ist in der Oper also eine Conditio sine qua non, eine unverzichtbare Bedingung. Man kann das Singen auch nicht nur auf eine Komponente in einem Gesamtkunstwerk reduzieren wie etwa im Musical, wo die Darsteller auch noch gut aussehen und gut tanzen können müssen.
    Gleichwohl würde ich sofort einräumen, dass der moderne Opernbetrieb uns Opernliebhabern manchmal gar schreckliche Aufführungen zumutet. Man denke nur an all die älteren, fülligen

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