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Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
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unterstützen und ihm zugänglich zu machen, worauf sich sein Interesse richtet. Während es im ersten Halbjahr vor allem die Eltern sind, die sich von der kindlichen Blickrichtung leiten lassen, erwirbt der Säugling um die Mitte des zweiten Halbjahres selbst die Fähigkeit, der Blickrichtung und Zeigegeste der Eltern zu folgen und seinerseits die Aufmerksamkeit der Eltern durch Zeigen und sog. deklarative (Aufmerksamkeit weckende, Interesse und Gefühle teilende Absichten) oder imperative (auffordernde, Hilfe verlangende Absichten) Lautgesten auf den Gegenstand seines Interesses zu lenken (Bates et al. 1987; Tomasello 2009). Im spontanen kindlichen Kommunikationsrepertoire werden die Lautgesten meist von intentionalen und konventionalisierten manuellen Gesten begleitet. Neben der natürlichen Geste des Zeigens beim Erreichen eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus erwirbt das Kind durch Nachahmung konventionelle Gesten (Winken, Bitten, Kopfschütteln) und ikonisch-bildhafte Gesten (Hand zum Mund führen, Gesten im Als-ob-Spiel), die mit dem Gebrauch erster Wörter abnehmen (Tomasello 2009). Übungskontexte für diese Erfahrungen bieten ritualisierte Interaktionsspielchen (M. Papoušek 1994) und konventionelle Rituale, sog. Formate wie »Geben und Nehmen« oder »Zeigen und Benennen« (Bruner 1987). Der Säugling lernt, im gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus zu kooperieren, durch Beobachtung und Nachahmung neue Handlungsmöglichkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Gegenständen zu entdecken und zu erproben (Meltzoff 1999) und schließlich gemeinsam mitden Eltern auf Gegenstände, Tätigkeiten und Ereignisse im Erfahrungskontext Bezug zu nehmen, ihre Bedeutung zu erfassen und ihnen, meist gegen Ende des ersten Lebensjahres, einen Namen zuzuordnen (H. Papoušek 2003).
Erkennen, Verstehen und pragmatischer Gebrauch erster Wörter
    Das
Verstehen sprachlicher Äußerungen
beginnt um die Mitte des zweiten Halbjahres, sobald es dem Säugling im Zuge seiner auditiven Aneignung muttersprachlichen Lautinventars gelingt, im Sprachfluss der Eltern wiederkehrende Lautfolgen bzw. Wörter zu identifizieren und deren Bedeutung in Bezug auf den gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus und gemeinsamen Erfahrungshintergrund zu begreifen (Jusczyk 1999; Yeung & Werker 2009). So wird er im Spiel mit den Eltern angeregt, die wichtigsten Merkmale seiner Spielzeugautos zu abstrahieren: z. B., dass man es fortbewegen kann und dass es beim Fahren Geräusche macht, dass seine Gestalt Ähnlichkeiten hat mit den unterschiedlichsten Varianten von Autos, die es im Bilderbuch oder auf der Straße gesehen, gehört oder sogar gerochen hat. Und es lernt, sein inneres Bild bzw. Konzept »Auto« mit den von den Eltern angebotenen Sprachsymbolen zu assoziieren, die einmal das Fahrgeräusch (»brumm brumm«) oder Hupen (»tutu«), einmal die kindliche Spielhandlung (»schieben«) und einmal den Gegenstand selbst (»schau mal, ein Auto«) durch melodisches Markieren und verlangsamtes deutliches Aussprechen hervorheben und benennen (Fernald & Mazzie 1991).
    Als erste gemeinsame Wortsymbole greifen Eltern in vielen Sprachen vor allem die bereits sprachähnlichen Doppelsilben des Kindes auf, die etwa zur gleichen Zeit im kindlichen Lautrepertoire auftauchen (»tutu«). Wie das vorausgehende Sprachverständnis sind auch die
ersten Wörter
noch eng handlungs- und kontextbezogen und repräsentieren ein breites Bedeutungsfeld (Camaioni 2001).
    Ausdauernde Spielerfahrungen in dieser Phase und weitere kognitive Entwicklungsschritte (z. B. Kategorisieren von Objekten) zu Beginn des zweiten Lebensjahres sind erforderlich, ehe das Kind etwa mit 18 Monaten zum eigentlichen
Wortschatzerwerb
– bei der Mehrzahl der Kinder in Form eines Wortschatzspurtes – kommt, dann nämlich, wenn das Kind etwa 30 bis 50 Wörter erworben hat und in Zusammenhang mit der Entwicklung der Symbolisierungsfähigkeit begreift, dass jedes Ding, jede Person und jede Handlung einenNamen hat (»naming insight«, Dore 1975) und mit Hilfe eines Wortes symbolisiert werden kann (Weinert 2004).
Bedeutung der Kommunikation im Säuglingsalter für die kindliche Sprachkompetenz
    Die eigenen prospektiven monatlichen Analysen der kindlichen Vokalisationsentwicklung im Kontext spontaner Mutter-Kind-Interaktionen von zwei bis fünfzehn Monaten (M. Papoušek, 1994) kommen zu einem zwar nur deskriptiv erhobenen, aber dennoch bemerkenswerten Ergebnis, das zu weiteren gezielten Untersuchungen herausfordert: Säuglinge
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