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Splitternest

Titel: Splitternest
Autoren: Markolf Hoffmann
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Freundschaft kündigte sie niemals auf. Und oft war ich … mehr als ein Freund für sie. Wenn der Fürst nach Thax ritt, um im Silbernen Kreis für Ganata zu sprechen, war sie wochenlang allein. Dann bat sie mich, ihr Gesellschaft zu leisten. So ging es jahrelang …«
    Gubyr schmunzelte. »Armer Talomar! Du hast zu viel und zu lange geliebt und dich selbst bestraft, indem du nach Aroc geflohen bist. Hast du geglaubt, Suuls Hauch könnte deine Gefühle abtöten? Du liebst diese Frau noch immer, nicht wahr?« Er bemerkte, dass seine Worte Talomar verletzten, und so wurde seine Stimme milder. »Was ist aus ihr geworden?«
    »Ich habe nichts mehr von ihr gehört, seit ich Ganata verließ. Nur einmal, vor wenigen Wochen, berichtete ein Kaufmann aus Gehani, dass Jundala ihrem Mann nach Vara gefolgt sei, als der Thronrat in die alte Hauptstadt zurückkehrte. Aber dort herrscht nun Chaos … Baniter Geneder wurde, wie die anderen Fürsten, vom Kaiser ermordet. Ob auch Jundala starb, weiß ich nicht.«
    »Ist dir das wirklich so gleichgültig? Falls ihr Ehemann tot ist, kannst du sie vielleicht doch noch für dich gewinnen, anstatt dir auf Aroc die Finger abzufrieren. Das wäre ein Kampf, der sich lohnt.«
    Ein Grollen schreckte die beiden Männer auf. Es schien zugleich vom Himmel und aus dem Gestein zu dringen. Eiszapfen lösten sich von der Felswand und bohrten sich neben ihnen in den Schnee.
    »Wir müssen weiter«, sagte Gubyr. »Die Klaue des Winters spürt die Goldéi nahen. Wenn wir nicht rechtzeitig am Gipfel sind, ist Imris verloren.« Er richtete sich auf. »Verschließe dein Herz, vergrab allen Kummer in ihm, sonst macht die Quelle ihn sich zunutze. Sie wird dich ihre Macht spüren lassen, wenn du nicht Acht gibst.«
    »Warum hast du mich überhaupt mitgenommen?« knurrte Talomar. »Ich bin kein Zauberer. Die Klaue wird mich zerfetzen.«
    »Sie wird es versuchen«, gab Gubyr zu. »Ich will ehrlich sein, Talomar – ich brauche dich, um sie abzulenken. Wäre ich dort oben allein, hätte sie leichtes Spiel mit mir. Aber in Begleitung eines Mannes, der keine Magie beherrscht, wird sie sich zur Unvorsichtigkeiten hinreißen lassen. Das will ich ausnutzen.«
    »Nein. Du willst mich ausnutzen.« Talomars Augen funkelten. »Du setzt mein Leben aufs Spiel, um die Quelle zu überlisten.«
    »Du bist mir freiwillig gefolgt, vergiß das nicht. Aber keine Angst, ich werde dich beschützen.« Gubyr zog aus seiner Tasche einen Anhänger hervor und reichte ihn Talomar. Es war ein schmales, goldenes Plättchen in Form einer Mondsichel. »Das hier bewahrt dich vor dem Zorn der Klaue. Verbirg es gut unter der Kleidung, zeige es keinesfalls offen, wenn wir am Gipfel sind.«
    Talomar nahm das Amulett zögernd an sich. »Eine Mondsichel? Ich kenne dieses Zeichen. Die Wahrsager von Imris tragen es. Ich habe mich immer gefragt, wofür es steht.«
    »Es ist das Symbol der Wahrheit. Ich habe es lange verkannt und gefürchtet, so wie die Solcata es mich lehrte. Erst die Wahrsager von Imris haben mir seine Bedeutung enthüllt.« Gubyr zog sich zum nächsten Felsvorsprung empor. »Kommt, Talomar. Es ist nicht mehr weit. Denke daran – die Quelle hat nur Macht über uns, wenn wir es zulassen.«
     
    Die Wahrsager von Imris, eine verschworene Gemeinschaft, die am Rand der Stadt lebte, erzählten die Legende von Suuls Tod wie folgt:
    Durta Slargin flog in Gestalt einer Nachtigall nach Aroc, um die Klaue des Winters zu bändigen. Er wusste bereits um den furchterregenden Riesen, der die Insel bewachte. Um ihn zu töten, wandte er eine List an. Er lockte Suul mit süßen Gesängen zur Bucht von Imris, wartete jedoch auf dem Gipfel des höchsten Berges. Als Suul nach dem Ursprung der wunderlichen Stimme Ausschau hielt, schlüpfte Durta Slargin in seine menschliche Hülle zurück und hieb mit dem schwarzen Stab auf den Felsengrund. Die Klaue des Winters spürte den Stoß und schüttelte sich vor Schmerzen. Schneemassen stürzten in die Bucht hinab und begruben Suul. Durta Slargin aber frohlockte und ließ verkünden, er habe den Riesen erschlagen. Denn er wollte von den Menschen verehrt werden.
    Aber Suul war nicht tot. Sein Leib war begraben, doch sein Geist sann auf Rache. Eines Tages, so wusste er, würde das Eis schmelzen, und er würde sich erheben und die Menschen für das bestrafen, was Durta Slargin ihm angetan hatte. Niemand würde seinem Zorn entgehen, niemand … außer denen, die sich dem Schutz der Neun Pforten anvertrauten. Der
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