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Spitfire: Kühler Tod

Spitfire: Kühler Tod

Titel: Spitfire: Kühler Tod
Autoren: Annette Sandoval
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ist. Als man uns zu unserem Tisch führt, fällt mir auf, dass die Dekoration farblich auf das Essen abgestimmt ist.
    Nachdem wir unser Wasser gewählt haben (mit Kohlensäure, still oder lieber gefiltertes Leitungswasser?), öffne ich die zur Jahreszeit passende Speisekarte, die mindestens so groß ist wie eine jener Steintafeln, die Moses einst vom Berg heruntergeschleppt hat. Links sind die Anti-Aging-Menüs aufgeführt. Abgesehen von den Porridges findet sich hier ziemlich genau das, was ich erwartet habe: Gemüse, Hülsenfrüchte, Gerste, Kefir, Nüsse und, natürlich,die rübenartige Jicama. Die Getränkeauswahl besteht aus Fruchtsäften und allen möglichen Teesorten. Auf der anderen Seite der Karte lese ich von bunten Salaten und Vollkornpasta, außerdem von Rindfleisch- und Hühnchengerichten, deren Eiweißlieferanten ein glückliches, veganes Tierleben auf dem Bauernhof führen durften, bevor sie friedlich eingeschlafen sind.
    Ich möchte einfach alles von der rechten Seite, aber ich halte mich an die Regel für erste Dates und entscheide mich für etwas aus der mittleren Preisklasse – nicht dass das hier ein Date wäre oder so. Scott ist immerhin verheiratet und hat zwei Kinder.
    Ich bestelle die Hühnerbrust in Knoblauch und Rosmarin mit wildem Reis, Jasmin-Pilaw und jungem Karottengemüse. Scott bestellt eine Schale der Tomales-Bay-Austern-Suppe mit Räucherspeck und Meeresfrüchtecreme als Vorspeise und hinterher ein gereiftes Niman-Ranch-Rib-Eye-Steak mit Knoblauchkartoffelbrei und einer aromatischen Gemüsevariation. Ich ändere meine Meinung und nehme dasselbe. Der Kellner lobt unsere Wahl und entschwindet mit den Karten.
    Scott nippt an seinem Wasser und räuspert sich. »Es gibt drei Dinge, die Sie wissen müssen, wenn Sie für mich arbeiten«, erklärt er und zählt seine Erläuterungen an den Fingern ab. »Sie müssen verstehen, wie ich ticke, wie und wann Sie mir geben müssen, was ich brauche, und dass es keinen Dempster gibt.«
    Ich warte einen Augenblick ab. »Was ist ein Dempster?«, frage ich dann doch, als er keine Anstalten macht, das näher zu erläutern.
    »Sie sitzen vor ihm«, erklärt er ein wenig verlegen. »Dempster Scott Martin … der Dritte.«
    All die »Dempster, die Dumpfbacke«- und »Dempster Scott Martin … die Titte«-Witze, die er in seiner Kindheit erleiden musste, schießen mir durch den Kopf. Die Junior-Highschool muss ein Albtraum für ihn gewesen sein. »Das tut mir leid«, beteuere ich. Er nickt einmal. »Seit meiner Geburt nenne ich mich Scott. Wenn also irgendjemand anruft und mit Dempster Martin sprechen möchte, ist es ein Telefonverkäufer.«
    Unsere Suppe kommt.
    »Wie Sie ja schon wissen«, berichtet Scott, während er nach seinem Löffel greift, »haben wir den Auftrag bekommen, das Empire Luxury Hotel auf der Isla Mujeres in Mexico zu bauen. Ihr fließendes Spanisch kommt uns da natürlich sehr gelegen.«
    Gerade wollte ich selbst einen Löffel von der Suppe kosten, als mich Scotts Worte erreichen. »Ich kann doch gar kein Spanisch«, sprudele ich erschrocken hervor. »Na ja, ich kenne ein paar Flüche und eine ganze Menge Slangausdrücke, aber das war’s dann auch schon so ziemlich.« Scott sagt erst einmal gar nichts und ich plappere einfach weiter. »Meine Eltern und meine Großeltern wurden hier geboren, na ja, eigentlich in Texas, aber seit Pancho Villas Banditenzeiten hat es keine spanischsprachigen Reyes mehr gegeben.«
    »Ihre Familie hat Pancho Villa gekannt?«
    Ich blinzle wie eine dieser Babypuppen. »Nein … ich wollte damit nur verdeutlichen, wie lange meine Familie schon in diesem Land lebt.«
    Scott legt seinen Löffel ab und ich befürchte schon, dass ich nur wegen meiner angeblichen Zweisprachigkeit befördert wurde und dass mich Scott zum ersten und letzten Mal zum Essen eingeladen hat. Stirnrunzelnd schaut er mich an. Ich schaue zurück, fest entschlossen, noch ein Dessert zu bestellen.
    »Tut mir leid, Tomi. Ich habe einfach angenommen … ich bin so ein Idiot.«
    Erleichtert, weil ich wohl doch nicht wieder degradiert werde, bevor man mich überhaupt befördert hat, erkläre ich großzügig: »Keine Sorge … das passiert ständig.« Und dann koste ich von meiner Suppe. Sie schmeckt anders als erwartet, aber trotzdem gut.
    Dann ist unser Kellner wieder da. In der Mitte seines Tabletts balanciert er ein Bierglas mit einer Zitronenspalte auf dem Rand. Ich erkenne den Drink sofort: Es ist ein
Eins, zwei, drei, mach dich
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