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Spitfire: Kühler Tod

Spitfire: Kühler Tod

Titel: Spitfire: Kühler Tod
Autoren: Annette Sandoval
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verdienen müsste. Kopfschüttelnd lese ich:
    Joyeux Quatorze Juillet!!!
Einen fröhlichen Nationalfeiertag!!!
»La Marseillaise«
Allons enfants de la patrie …
    Ich zerknülle meinen Flyer zu einem Papierball und werfe ihn in den Recyclingmüll. Jin ist Royces koreanische Ehefrau. Sie ist eine waschechte Trophäenfrau, auch wenn ich nicht zu raten wage, für welche Sportart. Eigentlich ist ja Royce derjenige, der aus Paris stammt, aber Jins französischer Akzent ist wesentlich stärker ausgeprägt, was eigentlich überhaupt keinen Sinn ergibt, weil sie in Chicago geboren und aufgewachsen ist.
    Lange bevor ich hier anfing, war Jin eine Hausfrau und Royce ein Mann, für den man gerne arbeitete. Doch das änderte sich, als Jin herausfand, dass ihr Mann Affären mit Frauen hat, die wie Jungen aussehen – oder andersherum. Welches dieser beiden Gerüchte stimmt, weiß ich nicht, aber sie würden in jedem Fall erklären, warum mich Royce nie eines zweiten Blickes würdigt. Ach, gäbe es auf der Welt doch nur mehr Männer wie Royce!
    Als Jin von den Affären ihres Mannes erfuhr, verlangte sie weder eine Trennung noch die Scheidung. Stattdessen wagte sie einen Vorstoß und machte sich selbst zur PR-Abteilungschefin in der Firma ihres Mannes. Leider fehlt dabei aber die PR-Abteilung. Wann immer ihr langweilig ist – also praktisch immer –, schleicht sie auf Socken durchs Büro und hofft die Angestellten dabei belauschen zu können, wie sie Pläne für eine feindliche Übernahme schmieden oder so. Wenn man schon dem Mann, den man liebt, nicht trauen kann, dann vermutlich überhaupt niemandem.

    An diesem Morgen leitet Doris, die Schnüfflerin, die letzten Bewerbungsgespräche für meine frei gewordene Stelle. Und ich belausche sie, nur so zum Spaß, via Freisprechanlage. Das ist vielleicht nicht richtig, aber Doris übt auf mich dieselbe unwiderstehliche Anziehungskraft aus wie das Schwarzlicht eines Insektenvernichters auf Mücken; ich muss ihr einfach hinterherspionieren und darf dabei nie vergessen, ihr nicht zu nahe zu kommen. Bewerbungsgespräch Nummer drei verlief etwa so:
    Doris : Woher kommen Sie?
    Bewerberin : Ursprünglich?
    Doris : Natürlich.
    Bewerberin : Minneapolis.
    Doris : Ach, genau wie Mary Tyler Moore! Ich liebe diese Show! Erinnern Sie sich noch an den Anfang … als sie am See entlangläuft und sich dann nach den Joggern umsieht … die Enten? Oder als sie über den Preis für ein Steak verhandelt?
    Stille
    Doris : Und wie ist es mit der Szene, in der sie ihren Hut in die Luft wirft? Haben Sie jemals die Frau bemerkt, die ihr dabei zusieht?
    Bewerberin : Äh … ich glaube nicht.
    Doris : Wirklich nicht? Sie steht doch direkt hinter Mary … links von ihr. Sie trägt eine Brille … Die kann man doch gar nicht übersehen! Jedenfalls, als sich Mary herumdreht und ihren Hut in die Luft wirft, da schaut sie diese Frau an, als wäre sie verrückt geworden!

    Als Rezeptionistin braucht man keine Uhr, um zu wissen, wann Mittagszeit ist. Das Telefonklingeln verstummt um Punkt zwölf Uhr und geht genau um eins wieder los. Die Ausnahme sind einpaar Anrufe von Leuten, die nur irgendwelche Informationen durchgeben wollen und lieber direkt auf den Anrufbeantworter sprechen. Ich sehe gerade dabei zu, wie Doris die Höhe meines Schreibtischstuhls neu einstellt, als Scott aus dem Fahrstuhl tritt. »Hi Scott«, begrüßt sie ihn und ein Lichtfunke erhellt ihre sonst so trüben blauen Augen. Sie kennt ihren Platz in der Firmenhackordnung genau und hofft, dass Glanz und Erfolg der Lichtgestalten aus der obersten Etage durch irgendeinen osmotischen Prozess auf sie übergehen.
    »Hi Doris«, sagt Scott. »Ich führe meine zukünftige Assistentin zum Mittagessen aus. Ist es okay, wenn ich Tomi ein bisschen später zurückbringe?«
    Doris Miene erstarrt und wechselt dann von glücklich zu wütend, einfach so, wie bei einem Pantomimen, nur ohne dass sie sich dabei mit der Hand übers Gesicht wischt. Wenn die Welt perfekt wäre, dann hätte ich diesen Augenblick jetzt auf Video. »Natürlich.« Doris seufzt schwer und sinkt in sich zusammen. »Dann muss ich eben warten, bis Tomi zurück ist, bevor ich selbst in die Mittagspause gehen kann.«
    »Wunderbar!«, verkündet mein zukünftiger Boss.

    Wir gehen ins
Jicama,
ein gehobenes Biorestaurant, das man vom Büro aus gut zu Fuß erreichen kann. Laut der Kritiken, die ich gelesen habe, wurden die Menüs von irgendeinem Arzt entwickelt, der zum Koch geworden
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