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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht
Autoren: Ally Carter
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Hunger eines Mädchens in der Wachstumsphase einfach nicht stillt.
    Wir blieben schweigend sitzen, während die Sekunden davontickten, aber die Stille wurde für Tina Walters anscheinend zu viel, weil sie sich zu mir herüberbeugte und fragte: »Cammie, was weißt du über ihn?«
    Ich wusste natürlich nur, was Bex mir erzählt hatte, aber Tinas Mutter schreibt eine Klatschkolumne in der viel gelesenenZeitung einer Großstadt, die namenlos bleiben soll (um sie nicht zu enttarnen), also würde Tina mit allen Mitteln versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen. Bald wurde ich unter einer Lawine von Fragen wie »Wo ist er her?«, »Hat er eine Freundin?« und »Stimmt es, dass er einen türkischen Botschafter mit Strings getötet hat?« begraben. Ich war mir nicht sicher, ob sie von Gitarrensaiten oder Tangas sprach, aber eine Antwort hatte ich sowieso nicht darauf.
    »Ach, komm schon«, sagte Tina. »Ich hab gehört, wie Madame Dabney dem Koch gesteckt hat, dass deine Mutter Solomon den ganzen Sommer lang bequatscht hat, diesen Job anzunehmen. Du musst doch was mitgekriegt haben!«
    Tinas Verhör hatte somit einen Nutzen: Endlich begriff ich, was es mit den geflüsterten Telefonaten und verschlossenen Türen auf sich hatte, die meine Mutter wochenlang beschäftigt hatten. Ich fing gerade an zu verarbeiten, was das alles bedeutete, als Mr Solomon mit fünfminütiger Verspätung in die Klasse schlenderte.
    Seine Haare waren noch feucht, das weiße Hemd frisch gebügelt – und dass ich zwei ganze Minuten lang nicht merkte, dass er Japanisch sprach, war entweder seiner Traumhaftigkeit oder unserer Ausbildung zuzuschreiben.
    »Wie heißt die Hauptstadt von Brunei?«
    »Bandar Seri Begawan«, erwiderten wir.
    »Die Quadratwurzel aus 97.969?«, fragte er auf Suaheli.
    »Dreihundertdreizehn«, antwortete Liz auf Mathematisch, weil Mathematisch die Weltsprache ist, wie sie uns gerne versichert.
    »Ein dominikanischer Diktator wurde 1961 ermordet«, sagte er auf Portugiesisch. »Wie war sein Name?«
    Einstimmig sagten wir: »Rafael Trujillo.«
    (Ein Attentat, wie ich betonen möchte, das nicht von einem Gallagher Girl verübt wurde, auch wenn Gerüchte das Gegenteil behaupten.)
    Ich gewöhnte mich gerade an unser Spielchen, als Mr Solomon auf Arabisch sagte: »Schließen Sie die Augen!«
    Wir taten, wie uns befohlen wurde.
    »Welche Farbe haben meine Schuhe?« Dieses Mal sprach er Englisch, und erstaunliche dreizehn Gallagher Girls saßen schweigend da, weil sie es nicht wussten.
    »Bin ich Rechts- oder Linkshänder?«, fragte er, wartete aber keine Antwort ab. »Seit ich diesen Raum betrat, habe ich an fünf verschiedenen Stellen Fingerabdrücke hinterlassen. Sagen Sie mir wo!« Auch diese Anfrage wurde mit Schweigen beantwortet.
    »Öffnen Sie die Augen!«, sagte er, und als ich meine aufmachte, sah ich, dass er auf einer Ecke seines Pultes saß. Ein Fuß stand auf dem Boden, der andere baumelte seitlich in der Luft. »Ihr Mädchen seid wirklich schlau. Aber ihr seid auch irgendwie dumm.«
    Wenn wir nicht gewusst hätten, dass es eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache ist, dass die Erde einfach nicht aufhören kann, sich zu drehen, dann hätten wir alle geschworen, sie sei in diesem Augenblick stehen geblieben.
    »Willkommen im Fach Geheimoperationen. Ich bin Joe Solomon. Ich habe noch nie unterrichtet, aber ich beschäftige mich seit achtzehn Jahren mit diesen Dingen und atme noch, was bedeutet, dass ich weiß, wovon ich rede. Mein Unterricht wird nicht wie die anderen sein.«
    Mein Magen knurrte, und Liz, die sich für ein ausgiebigesFrühstück und einen Pferdeschwanz entschieden hatte, zischte: »Pst!«, als ob ich das Knurren hätte stoppen können.
    »Meine Damen, ich werde Sie vorbereiten.« Er machte eine Pause und zeigte nach oben. »Auf das, was draußen vor sich geht. Die Sache ist nicht für jeden geeignet, weshalb ich es Ihnen schwer machen werde. Verdammt schwer. Wenn Sie mich aber beeindrucken, wird der Fahrstuhl Sie im nächsten Jahr vielleicht einen Stock tiefer transportieren. Falls ich jedoch nur den geringsten Verdacht hege, dass Sie für den Außendienst nicht außerordentlich begabt sind, rette ich Ihr Leben sofort und helfe Ihnen, die Laufbahn der Operationsplanung und Forschung einzuschlagen.«
    Er stand auf und steckte die Hände in die Taschen. »In dieser Branche sucht jeder am Anfang das Abenteuer, aber mir ist es egal, wie Ihre Fantasien aussehen, meine Damen. Wenn Sie hinter Ihren Tischen
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