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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht
Autoren: Ally Carter
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nicht hervorkommen und mir nichts anderes als Ihr theoretisches Wissen beweisen können, wird keine von Ihnen das zweite Untergeschoss je zu Gesicht bekommen.«
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Mick Morrison an seinen Lippen hing und bei seinen Worten fast geiferte, weil es seit Jahren ihr größter Wunsch ist, jemandem eins auszuwischen. Kein Wunder, dass ihre fleischige Hand in die Luft sauste. »Heißt das, Sir, Sie bringen uns auch das Schießen bei?«, brüllte sie und schien zu erwarten, dass ein Drill Instructor von ihr verlangte, sich auf den Boden zu werfen, um Liegestütze zu machen.
    Aber Mr Solomon ging nur um das Pult herum und sagte: »Wenn Sie in diesem Betrieb eine Schusswaffe brauchen, ist es wahrscheinlich schon zu spät.« Aus Micks durchtrainiertemKörper schien die Luft zu entweichen. »Das Erfreuliche an der Sache wäre allerdings, dass man Sie mit Ihrer Waffe begräbt – falls man Sie überhaupt begräbt.«
    Meine Haut wurde feuerrot. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Bevor ich richtig wusste, was geschah, wurde mein Hals so eng, dass ich kaum noch Luft bekam. Mr Solomon starrte mich an. Aber sobald ich ihm in die Augen sah, schaute er weg.
    »Die Glücklichen kehren nach Hause zurück, möglicherweise in einer Kiste.«
    Obwohl er meinen Namen nicht genannt hatte, spürte ich, wie die Blicke meiner Mitschülerinnen auf mir lagen. Alle wussten, was meinem Vater passiert war. Dass er in geheimer Mission unterwegs und nicht zurückgekehrt war. Wahrscheinlich werde ich niemals mehr als diese beiden Fakten erfahren, aber sie sind wichtiger für mich als alles andere. Man nennt mich hier das Chamäleon. Wenn man auf eine Schule für Spioninnen geht, ist das kein schlechter Tarnname. Ich frage mich manchmal, was mich so hat werden lassen, was mich still und ruhig sein lässt, während Liz immerzu quasselt und Bex … bext. Bin ich wegen meiner Spion-Gene so gut im Nicht-Auffallen oder weil ich immer schon schüchtern war? Oder bin ich nur das Mädchen, das die Leute am liebsten übersehen, um nicht daran denken zu müssen, dass ihnen auch so etwas Schlimmes passieren könnte?
    Mr Solomon machte noch einen Schritt, und meine Mitschülerinnen wandten ihre Blicke schnell von mir ab – alle außer Bex. Sie schob sich bis zur Stuhlkante vor, um mich im Bedarfsfall festzuhalten, falls ich unserem tollen neuen Lehrer die funkelnden grünen Augen ausreißen wollte.
    »Es gibt nur eins, meine Damen: Gut sein – oder tot sein!«
    Ich wollte sofort zum Büro meiner Mutter laufen und ihr sagen, was er angedeutet hatte – mein Vater sei an seinem Tod selbst schuld gewesen, weil er nicht gut genug war. Aber ich blieb sitzen, vielleicht vor lähmender Wut, aber wahrscheinlich eher, weil ich tief im Innern befürchtete, dass Mr Solomon recht hatte und ich das aus dem Mund meiner Mutter nicht hören wollte.
    Genau in diesem Augenblick stürmte Anna Fetterman durch die Milchglastür und stand japsend vor der Klasse. »Tut mir leid«, sagte sie zu Mr Solomon und rang immer noch nach Luft. »Die blöden Scanner haben mich nicht erkannt, also hat mich der Fahrstuhl eingesperrt und ich musste mir fünf Minuten lang eine Predigt aus dem Lautsprecher anhören – ich solle gefälligst nicht versuchen, die Regeln zu umgehen und …« Anna verstummte, als sie den Lehrer und seine ungerührte Miene sah, die ich bei einem Mann, der selbst fünf Minuten zu spät gekommen war, für ziemlich scheinheilig hielt.
    »Du brauchst dich gar nicht erst hinzusetzen«, sagte Mr Solomon, als Anna einen Tisch im hinteren Teil des Raumes ansteuerte. »Deine Mitschülerinnen wollten gerade gehen.«
    Wir schauten auf unsere erst vor Kurzem aufeinander abgestimmten Uhren, die alle genau das Gleiche anzeigten, nämlich dass noch fünfundvierzig Minuten bis zum Ende des Unterrichts verblieben. Nach scheinbar ewig langer Zeit schoss Liz’ Hand in die Höhe.
    »Ja?« Joe Solomon klang wie jemand, der Besseres zu tun hatte.
    »Bekommen wir keine Hausaufgaben?«, fragte sie, und die Gesichtsausdrücke ihrer Mitschülerinnen verwandeltensich schlagartig von schockiert in verärgert. (Wie kann man bloß so eine Frage in einem Raum voller Mädchen stellen, die alle den schwarzen Gürtel in Karate besitzen!)
    »Doch«, sagte Mr Solomon, der die Tür aufhielt, was in aller Welt Macht, dass ihr rauskommt! heißt. »Aufpassen und Dinge bemerken.«
    Während ich durch den rutschigen weißen Korridor zum Fahrstuhl ging, der mich hergebracht
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