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Spielzeugsoldaten

Spielzeugsoldaten

Titel: Spielzeugsoldaten
Autoren: Filipa Leemann
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wollte. Sie wollte fliehen. Es war das einzige Mal, dass ich eine Bitte von ihr höre n sollte.
    „Ich muss ihr helfen. Sie werden sie umbringen.“
    Tränen? Sie war ins Licht getreten und sah mich unverwandt an. Ich konnte nicht antworten. Ich erfuhr, dass sie nicht zum Tode verurteilt war, aber die Frau, die sie fast ihr halbes Leben begleitet hatte, war es. Ich wusste von keiner Frau in den Todeszellen. Ihre Stimme war voll von Liebe und Bewunderung als sie von ihr sprach. Sie klang plötzlich weich und verletzlich. All der Starrsinn und die Wut waren verschwunden. Ich konnte kaum den Gedanken an dieses Schicksal ertragen.
    Ich wusste nicht wie ich ihr helfen sollte. Sie verstummte wieder.
    Ich hielt es nicht aus. Ich wollte kein Werkzeug mehr sein. Ich konnte denken, auch wenn ich nicht sprach und mich wehrte. Ich wusste, dass diese Welt ebenfalls zum Tode verurteilt war und nur Menschen wie sie sie am Leben hielten. Sie musste zu Kräften kommen. Jeden Tag bekam sie das Essen, das mein e Frau mi r mitgegeben hatte. In den Nächten durchsuchte ich die Lagerräume des Gefängnisses und stahl ihre Rüstung und ihr Schwert.
    Es war erschütternd einfach sie in einem Leichensack aus dem Verlies zu tragen. Ein anderer Soldat half mir. Er wusste nicht, dass sie noch lebte. Ein weiterer Beweis, wie dumm und einfach diese Welt war. Ich wollte keine Fragen mehr stellen. Die Dummheit der Welt würde mein Werkzeug sein.
    Auf dem Weg nach draußen, kam mir der Henker entgegen und in den Kerkern hallten die Schreie einer Frau von den Wänden wieder und wieder. Die Frau im Leichsack blieb still. Ich mochte mir nicht vorstellen, welche Qualen sie gerade ertrug. War es bereits zu spät? Ich schickte den Soldaten weg und trug sie allein zu den Massengräbern der Gefangenen. Ich legte sie hinter einem Busch ab und lief davon, s o schnell mich meine Beine trugen.
    Am Abend saß ich auf der Terrasse meines Hauses, als markerschütternde Schreie die Ruhe unseres Dorfes wie Blitze durchschlugen.
    „Gebt mir ihren Kopf! Gebt mir ihren Kopf!“
    Ich kannte die Stimme und ich sah all die Tränen vor meinem inneren Auge. In diesem Moment brach auch mein Herz.
     
     
     

- Kapitel 1 –
    Juli bekam die Nachricht der Regierung am Morgen.
    Sie saß erst seit ein paar Monaten in der Redaktion der kleinen Zeitung einer Stadt in Patrona. Journalistin zu werden war nicht ihr Ziel gewesen. Es hatte sich so ergeben. Sie war neugierig und stellte viele Fragen. Sie konnte reden und Worte zu Papier bringen. Das und ein glücklicher Zufall die richtigen Leute kennen gelernt zu haben, tat ihr übriges. S ie stammte eigentlich aus einem Do rf an der Küste des Landes. I n einem solchen Dorf hatte man keine aufregende n Träume von einem Leben in der St adt. Wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre, dann hätte sie einen der Bauern geheiratet, eine Horde Kinder in die Welt gesetzt und den Rest ihres Lebens mit ihrem Haushalt verbracht. Eine Z eitlang erschien ihr diese Aussicht sogar als ziemlich erstrebenswert. Es war nicht nur die konservative Erziehung ihrer Mutter, sondern auch die Angst der Familie vor dem Krieg, die sie beinahe dazu getrieben hätten ein solches Leben jedem anderen vorzuziehen. Julis Großvater war als junger Mann an der Front ums Leben gekommen und hatte seine Frau als Witwe mit zwei halbwüchsigen Kindern zurückgelassen. Die Kämpfe waren nie bis in das kleine Dorf Rambur gekommen, doch der Tod des Großvaters, der Verlust des Ehemanns und Vaters, hatte das Leben aller Familienmitglieder geprägt. Keiner von ihnen hatte seither das Dorf für längere Zeit verlassen. Julis Familie war eine der wenigen, die dieses Schicksal ereilt hatte .
    Als Juli jung war, war sie nicht anders , denn sie hatte von klein auf immer die Geschichten und Warnungen hören müssen. Doch während sie aufwuchs, lernte sie wie alle anderen auch, damit zu leben und den Krieg aus ihrem Alltag zu verdrängen. In Rambur war kein Krieg.
    Nach ihrem Schulabschluss beschloss sie ihr Dorf zu verlassen und im Landesinneren ihr Glück zu versuchen. Zurückgehen konnte sie ja immer noch , sagte sie sich .
    Anfangs war es schwer gewesen Fuß zu fassen. Sie war anders als alle anderen. Je tiefer man ins Land hinein reiste, desto verbitterter wurden die Menschen, desto näher kam der Kri eg. Die Städte waren dunkel, grau und staubig von der Industrie. Die Menschen waren blass und hektisch. Juli kannte das Leben so nicht. D as Leben am Meer hatte gesunden
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