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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück
Autoren: Cathy Lamb
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schon oft den Nagel auf den Kopf getroffen, bei jeder von uns. Und sie nimmt nichts für ihre Dienste am Psycho-Abend. Wir wollen sie immer bezahlen, aber sie nimmt nichts an, deshalb bringen wir ihr Eier, Gebäck und Essen vorbei, damit sie sich über Wasser halten kann.« Lydia schüttelte den Kopf. »Sie hat halt ihren Stolz. Ist so stolz wie ein Hengst, der jeden Cowboy abwirft. Ihr gestürzter Ananaskuchen und ihr Möhrenbrot mit Frischkäseglasur bringen jedes Jahr bei der Versteigerung auf dem Stadtfest das meiste Geld ein. Jedes Jahr. Unsere Caroline ist die liebste Frau, die man sich vorstellen kann. Sicher, sie ist verschlossen und erzählt nicht viel über sich, aber sie ist so ehrlich und aufrecht wie meine Maisstauden.«
    »Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen.« Überraschend traten mir Tränen in die Augen. »Danke, dass ich hier sein darf, Tante Lydia.«
    »Aber gerne. Der Psycho-Abend wird dir gefallen.« Sie hatte mich missverstanden. Lydia kam zu mir und nahm mich in
die Arme. Sie roch nach Vanille, Lavendel und Schokolade. Ich vergrub das Gesicht an ihrer Schulter. »Nicht weinen, Süße! Du bist dem lebenslangen Gefängnis beim Oberschwein entkommen. Gerettet! Du hättest genauso gut ein T-Shirt mit der Aufschrift ›Insasse‹ auf dem Rücken tragen können. ›Insasse vom Oberschwein!‹ Du musst doch froh sein, nicht mehr im Gefängnis zu sitzen!«
    »Bin ich auch«, weinte ich. »Bin ich.« Alles tat mir weh. Mein Gesicht schmerzte. Ich war dick. Niemand würde mich heiraten. Robert hatte es gewollt, aber da ich mein Gesicht die nächsten vierzig Jahre nicht als Sandsack missbrauchen lassen wollte, war ich abgehauen. Sehr spät. Aber das bedauerte ich doch nicht etwa, oder? Ich wollte einen Mann, aber nicht um jeden Preis. Nicht wahr?
    Schniefend löste ich mich von Lydia. Sie machte mit ihren Brownies weiter, rühmte den hohen Wert der Unabhängigkeit vom Mann, weil nur Männer und sie allein für das Durcheinander unserer Hormone verantwortlich seien. Dann dachte sie sich ein Lied über Männer mit kleinen Schniedeln aus.
    Wieder nagte etwas an meinem Magen, als würde mich die Angst bei lebendigem Leibe verzehren. Plötzlich begann mein Herz zu pochen. Scheinbar wollte es mich in den Infarkt treiben.
    Ich hustete und keuchte, denn ich wusste, was nun käme. Die Angstkrankheit war wieder da. Sofort hatte ich das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Meine Hände erstarrten zu Eisblöcken, während mein Körper zitterte, als würde er von einer gewaltigen Hand geschüttelt.
    Resigniert schloss ich die Augen, denn ich wusste, ich würde mit meinem Hintern eher einen rasenden Zug aufhalten können als das hier. Der Tod war mir auf den Fersen, ich wusste es. Ich hatte eine furchtbare, noch unbekannte Krankheit, die mich monatelang leiden lassen würde. Wahrscheinlich verfaulte ich innerlich, bis ich in mir selbst zusammenfiel und starb.
    Deshalb klopfte mein Herz manchmal so schnell, als wäre ich einen Marathon gelaufen, deshalb war mir manchmal eiskalt und dann wieder so heiß. Dann zitterte ich wie Espenlaub und bekam keine Luft.
    Halbherzig hörte ich Lydias Lied und versuchte zu verbergen, dass meinem Empfinden nach die Luft aus dem Raum gesogen worden war, bis auf das letzte Molekül. Ich versuchte, so gut ich konnte, mich nicht von der Welle der Angst, wie ich sie nannte, überrollen zu lasen. Doch dann durchflutete das vertraute Gefühl blinder Panik meinen Körper. Weil er wusste, dass er starb, vermutete ich.
    Ich biss die Zähne aufeinander und versuchte, durch die Nase zu atmen. Dann wurde mir schwindelig. Ich war auf dem besten Weg, verrückt zu werden. Den Verstand zu verlieren. Hallo, Irrenhaus, ich komme!
    Dann endlich – mir kam es wie Stunden vor – wurde mein Herzschlag langsamer, die Luft kehrte ins Zimmer zurück, und ich hörte auf zu zittern. Stattdessen empfand ich eine totale körperliche Erschöpfung, aber das war immer noch besser als zu ersticken, viel besser.
    Seit den letzten Monaten wusste ich Luft so richtig zu schätzen. Herrliche, reine Luft.
    Mit zittrigen Händen schob ich mir die krausen Locken aus der feuchten Stirn. Ich wollte nicht mehr an meinen bevorstehenden Tod denken, lieber an etwas anderes. Ich atmete tief durch. »Was machen wir denn heute am Psycho-Abend über die Macht der Brüste?«, brachte ich hervor, erstaunt, dass Tante Lydia nicht gemerkt hatte, dass ich gerade fast gestorben wäre, und gleichzeitig stolz auf meine Fähigkeit,
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