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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück
Autoren: Cathy Lamb
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meinen Ring. Was auch kommen sollte, ich würde ihn heiraten. Ich würde meine durchgeknallte Mutter und meinen Knastvater hinter mir lassen. Ich würde ein angesehenes, geachtetes Mitglied einer angesehenen, geachteten Familie werden.
    Obwohl Roberts Anfälle mit der Zeit immer schlimmer wurden und mir eine Heidenangst einjagten.
    Ich verdrängte die marternden Gedanken und ließ die Fensterscheibe hinunter, damit kühle Bergluft ins Auto strömen konnte. Tief atmete ich den vertrauten Geruch der Kiefern ein, musste dann an der einzigen Ampel des Ortes halten und bildete mir ein, den Fluss in der Ferne rauschen zu hören, obwohl ich wusste, dass es nicht sein konnte, weil er zu weit weg war.
    Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, knipste die Innenbeleuchtung an und schaute in den Rückspiegel. Ach – ich sah mal wieder super aus: Meine Augen waren verquollen, mein Gesicht hatte die hübsche Farbe einer Leiche, und meine Lippen waren geschwollen und aufgesprungen.
    Wunderschön. Kein Wunder, dass die Männer mir die Tür einliefen. Ich aß noch ein Stück Schokolade.
    Ich bog nach rechts ab, vorbei an mehreren kleinen Geschäften und durch ein kleines Viertel, wo Dreiräder und Fahrräder in den Vorgärten lagen. Ich nahm die nächste Straße hinaus aufs Land und fuhr gute zwei Meilen geradeaus, dann an dem Briefkasten, auf dem ein riesiges Holzschwein stand und die Zunge herausstreckte, links ab.
    Wie schon gesagt: Man kann Tante Lydias Haus nicht verfehlen. Als ich also in die Kiesauffahrt einbog und die Riesenschweine, die Toiletten und die Regenbogenbrücke sah, alles frisch gestrichen und noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte, hielt ich an, legte den Kopf aufs Lenkrad und weinte.
    Und so fand mich Tante Lydia.

2
    Männer sind Schweine!« Lydia schlug mit einem Holzlöffel gegen einen riesigen Topf. Die Erdbeeren schmolzen zu einer zähflüssigen Masse, aus der die leckerste Marmelade entstehen würde, die ich je gekostet hatte. Als Kind hatte ich sie immer direkt aus dem Glas gegessen.
    Tante Lydia war es gewesen, die mich als Kind für das Kochen, insbesondere für Süßspeisen und Schokoladenplätzchen, begeistert hatte. Ich hatte Hunderte von Stunden zwischen ihren Pflanzen, Büchern und Vögeln verbracht, genau da, wo ich jetzt stand. Es war die glücklichste Zeit meines Lebens gewesen.
    »Große Schweine, kleine Schweine. Aber alle sind –« Zum x-ten Male schlug sie mit dem Holzlöffel gegen den Topfrand. »– Schweine!«
    Ich trank den Kräutertee, den sie mir in die Hand gedrückt hatte, kaum dass ich eingetreten war. Es war eine großzügige Portion Rum drin, und ich nahm mir vor, mindestens drei oder vier Tassen davon zu trinken. Vielleicht sogar fünf. Erschaudernd atmete ich durch. Der Holzofen in der Küche, vor den sie mich gesetzt hatte, gab Hitze ab wie ein feuerspeiender Drache.
    »Aber!«, deklamierte Tante Lydia mit blitzenden grünen Augen, und ihr volles graues Haar tanzte um ihr Gesicht, als würde all ihre Energie in die Haarwurzeln schießen. »Ich bin so froh, dass du nicht das Oberschwein geheiratet hast, diesen Robert.«
    Ich ignorierte den stechenden Schmerz, der durch mein Herz fuhr. »Du hast ihn doch gar nicht gekannt.« Warum verteidigte ich ihn noch? O Gott, bin ich eine dumme Heulsuse. Und mein Auge leuchtete immer noch grünviolett.
    »Ich hab es an deiner Stimme gehört, an dem, was du verschwiegen hast. Vergiss nicht, ich durfte dich nie zu Hause anrufen, er hat immer gedrängt, du solltest aufhören zu telefonieren.« Lydia riss die Augen auf, groß und weiß. »Ich hatte keine Lust, mich mit dem Oberschwein abzugeben. Meinst du, ich soll mir noch ein Schwein von Janice machen lassen und es Robert nennen?«
    Ich machte den Mund auf und zu. Ein Riesenschwein, benannt nach meinem Ex-Verlobten. Das hatte was.
    »Nein!«, rief Lydia und stampfte mit ihrem kleinen Fuß auf. »Das mache ich nicht. Ich will nichts auf meinem Grund und Boden, was mich an diesen Kerl erinnert. Ach, du lieber Himmel!« Sie durchsuchte den Schrank über ihrem Kopf. »Ich habe ja fast keinen ZIMT mehr! Das ist ja nicht zu GLAUBEN !« Die letzten Worte schrie sie so laut, dass die unzähligen Vögel in den drei großen Käfigen wild umherflatterten.
    »Ich fahr dir Zimt holen-«
    »Nein! Um Himmels willen nein, Julia. Ich hole morgen selbst welchen. Aber ich kann es einfach NICHT GLAUBEN !«
    Das war Lydia, wie sie leibte und lebte. Die kleinsten Probleme machten sie völlig hilflos, sie
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