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Spiel des Lebens 1

Spiel des Lebens 1

Titel: Spiel des Lebens 1
Autoren: Etzold Veit
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komplett zertrümmert, und der Airbag füllte den Fahrersitz aus wie ein riesiger Wasserball.
    Als sie auf den Bahnsteig humpelte, hielt eine Bahn mit kreischenden Bremsen. Sie bestieg den Waggon und kehrte dorthin zurück, wo alles angefangen hatte.
    In die U-Bahn.
    In die Unterwelt.
    In die Hölle.

54
    D ie Bar war am Ende der schmutzigen, engen Straße, über der die Eisenbahn hinwegratterte und wo Nebel und Rauch aus unterirdischen Löchern kam. Einige Krähen zogen krächzend über sie hinweg. Ein weiblicher Junkie tauchte plötzlich neben ihr auf und verlangte Kleingeld.
    Emily reagierte einfach nicht. Stattdessen überquerte sie die Kreuzung und betrat die Bar, die sich »Die Sense« nannte, The Scythe. Abgestandene Luft aus ranzigen Kippen und Alkohol stieg ihr entgegen, getragen von Heavy Metal und Techno. An den Tischen bleiche Gesichter mit Piercings und Tätowierungen, die irgendetwas tranken und irgendetwas rauchten, und die Ketten und Ohrringe mit Pentagrammen und umgedrehten Kreuzen trugen.
    In der Mitte des Clubs stand ein riesiger Tresen und hinter dem Tresen im grünblauen Licht und im Nebel des Rauchs eine noch größere Silhouette, die erst einmal riesig und dann auch noch Furcht einflößend war.
    Mindestens zwei Meter , dachte Emily. Der kahle Schädel war so tätowiert, als würde man das Gehirn darunter sehen, und ein schwarz gefärbter Irokesenkamm ragte aus der Mitte seines Kopfes heraus. Der Mann nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, streckte dann seine Zunge heraus, löschte die Asche an seiner Zunge und warf die verglühte Kippe zu Boden.
    »Madam?«, fragte der Mann in gedehntem Ton und bleckte die Zähne.
    »Sind Sie Scythe?«, wollte Emily wissen.
    Ein paar Gothics, die mit Scythe an der Bar standen, lachten dreckig. Offenbar hatte Emily eine dumme Frage gestellt.
    Der Riese mit dem Irokesenschnitt und den unheimlichen Tätowierungen streckte ihr über die Bar hinweg den Kopf entgegen.
    »Siehst du hier noch einen, zu dem der Name Scythe passen würde?«
    Emily schüttelte den Kopf. Es geschah automatisch.
    Die Gothics wandten sich wieder ihren Drinks zu.
    »Dann bin ich es wohl«, sagte Scythe und beugte sich wieder zurück, während er Emily misstrauisch musterte.
    »Okay«, meinte er dann, »Daddys Girl, was? Und heute ein wenig mitgenommen, was?« Er musterte sie von oben bis unten. »Und Daddy ist bestimmt nicht der Ärmste.« Er lachte. »Bist du dir sicher, dass du hierhin wolltest?«
    Die Typen um die Theke stimmten in sein Lachen ein.
    Emily spürte, wie etwas in ihr hochstieg, ein Gefühl, das sie erst nicht zuordnen konnte, aber dann immer deutlicher wurde, immer stärker.
    Es war Wut. Blanke, nackte Wut.
    »Ich möchte zu Jonathan«, sagte sie ruhig. »Er erwartet mich.«
    Ja, das tat er mit Sicherheit.
    Scythe nickte bedächtig.
    »Eine Freundin von Jonathan«, sagte er, »so hohen Besuch haben wir selten.« Er zeigte seine Zähne. »Solch edle Gäste dürfen selbstverständlich in den VIP -Bereich.« Er wies mit sei ner riesigen H and in Richtung eines Ganges hinter der Bar. »Bei den Toiletten die Treppe runter, dann die Luke öffnen, dann die Leiter runter. Und dann immer geradeaus. Und nach unten.«
    Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, während er nach unten sagte.
    Emily war bereits unterwegs.
    * * *
    Sie rannte die Treppe hinunter. Ihr Knie hatte wieder angefangen zu pochen, aber darauf nahm sie keine Rücksicht. Überhaupt erschien es ihr, als ob sich ihr Verstand, ihr Geist, ihre Seele von ihrem Körper losgesagt hatte, vorausjagte, das vorwegnahm, was sie gleich erwarten würde.
    Jonathan.
    Ihre Eltern.
    Oder der Tod?
    Egal. Alles war egal. Emily war an einem Punkt angelangt, an dem sie nur noch reagierte, aber diesmal nicht auf Jonathans Anweisungen, sondern auf das, was ihr Innerstes ihr vorgab.
    Ihr Instinkt, der irgendwann in der letzten halben Stunde übernommen hatte.
    Sie ging vorbei an den Toiletten, die wahrscheinlich vor einem Jahr zuletzt gereinigt worden waren und an deren Türen obskure Telefonnummern und obszöne Angebote gekritzelt waren. Dann noch eine Treppe hinunter bis zu einer dunklen Kellertür.
    Die Tür war auf, und ein langer, feuchter Gang öffnete sich, in dem eine bläuliche Neonlampe mit letzter Kraft flackerte. Am Ende des Ganges führte eine Leiter fünf Meter in die Tiefe. Emily kletterte hinunter. Ihre Hände zitterten, ihre Füße glitten immer wieder ab, aber auch das war ihr egal. Vielleicht war der Gang ja fünfzig
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