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Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)

Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)

Titel: Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Autoren: Sönke Brandschwert
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Mitte der Brücke drückte, würde der Triebwagen den gesamten, restlichen Zug mit in die Tiefe reißen. Ohne die geringste Nervosität drehte der Mann sich um und betrachtete die anderen Fahrgäste. Bald würde keiner von ihnen mehr leben. Da war die junge Mutter mit ihrem ständig nörgelnden Kind. Der Geschäftsmann, der fortwährend auf der Tastatur seines Laptops herumklimperte. Das ältere Ehepaar, welches, offenbar in Urlaubsstimmung, hin und wieder laut auflachte. Viele Menschen, die für Abdul ohne Gesicht und Persönlichkeit waren. Sündiger, die nicht die leiseste Ahnung von dem hatten, was sie in Kürze erwartete. Niemand, der Abdul besondere Beachtung schenkte. Warum auch? Er war ein Fahrgast wie jeder andere auch. Und ein Attentat auf einen großen Zug würde niemand erwarten. Vor abstürzenden Flugzeugen hatte man Angst. Hier fühlte sich jeder sicher. Auch der große Unfall bei Eschede hatte langfristig nichts daran geändert.
    Das kleine Kind kam plötzlich auf Abdul zugerannt. Es handelte sich um ein Mädchen von vielleicht drei Jahren. Es lachte Abdul fröhlich an, blieb direkt vor ihm stehen, zeigte auf Abduls Gesicht, und sagte: "Bart!" Dabei lachte das Kind giggelnd. Mit seinen zotteligen, roten Haaren und den vielen Sommersprossen im Gesicht sah es so unschuldig aus. Die Augen blickten ihn offen und direkt an. Abdul lächelte zurück. Ich werde dich davor bewahren, dass du ebenso verdorben wirst wie deine Mutter, dachte Abdul. Er streichelte ihr über das Haar. Dann drehte sich das Mädchen um und lief laut lachend zur Mutter zurück. Die sah zu Abdul herüber und lächelte ebenfalls. Sie war schön. Wohlbeleibt, wie es sich für eine gute Mutter gehörte. Die Bluse war so weit aufgeknöpft, dass der Ansatz ihrer Brüste zu sehen war. Angewidert schaute Abdul zur Seite. Eine Weile lauschte er nur den leisen Fahrgeräuschen der Bahn. Fast war es in diesem Fahrzeug, als würde man fliegen, so ruhig glitt der Hochgeschwindigkeitszug über die extra für ihn entwickelten, neuartigen Gleise. Die Übergänge der einzelnen Schienenteile waren nicht zu merken, und die Kurven waren so weit gebaut, dass man sie kaum spürte.
    Bei dem Blick aus dem Fenster sah Abdul, dass es nicht mehr weit war. Mit einem schnappenden Geräusch ließ er die Verschlüsse seines Pilotenkoffers aufspringen. Dann öffnete er die Tasche und sah hinein. Der Plastiksprengstoff mit dem einfachen Namen C4 füllte fast den gesamten Innenraum aus. Man hatte ihm gesagt, dass es mehr als ausreichen würde. In der rechten Ecke befand sich der Schalter. Wenn er ihn umlegte, würde es geschehen. Die beste Tat seines Lebens stand kurz bevor. Ein unsagbares Glücksgefühl machte sich in ihm breit. Er durfte ein Auserwählter sein! Wie wenigen wurde doch dieses Glück zu teil! Seine Kinder werden mit Ehre überschüttet werden.
    Und all diese Leute in dem Zug hatten keine Ahnung. Ihr Leben lang hatten sie gesündigt, und wussten nicht, dass sie nun gerichtet würden. Allah war groß. Manchmal war er sehr geduldig, aber irgendwann vollzog er sein Werk an jenen, die es verdienten. Und heute war Abdul Allahs ausführende Hand. Abduls Glücksgefühl wuchs mit jeder Sekunde. Gleichzeitig stieg die Spannung in ihm. Er durfte den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen. Würde er zu spät abdrücken, dann konnte es passieren, dass die nachfolgenden Wagen nur umkippten. Es wäre die Möglichkeit gegeben, dass es Überlebende gab. Dasselbe konnte geschehen, wenn er zu früh auf den Zünder drückte. Höchste Konzentration war jetzt gefragt. Wie würde er vor Allah dastehen, wenn sein Vorhaben misslang? Aber er würde nicht versagen, da war er sich sicher. Zum zwanzigsten Mal fuhr er diese Strecke nun, kannte sie in und auswendig, wusste jeden vorbeihuschenden Ort im Voraus. Genauso kannte er den Tunnel, in den der Zug soeben einfuhr. Und niemand war da, der ihn zu hindern versuchte. Wie hätte auch jemand ahnen können, was er in seiner Tasche trug, deren Transport ihm wegen des hohen Gewichts so schwer gefallen war. Plötzlich, kurz nach Verlassen des Tunnels, tauchte sie vor ihm auf: die Brücke, die sein Grab werden würde. Rechts daneben befand sich die Autobahnbrücke der A3. Mit etwas Glück würde die Explosion auch Auswirkungen auf sie haben. Abdul hatte ein verzücktes Lächeln im Gesicht, während er der schnell nahenden Brücke entgegensah. Stolz erfüllte ihn. Er hatte an alles gedacht. Sogar daran, nicht einen Zug in den Abendstunden zu
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