Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition)
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
größeres Unbehagen. Hungrig stürzte es sich auf das kleinste bisschen Licht und verwandelte es in Dunkelheit. Es hätte Björn kaum gewundert, zu erfahren, dass es auch Lebewesen verschlucken konnte.
    Jackie Chan seilte sich von einem Hochhaus ab.
    Maxim begann wieder, leise mit sich selbst zu sprechen.
    Hätte Björn noch einen Funken Energie besessen, hätte er sich Maxim geschnappt und wäre auf der Stelle mit ihm von hier abgehauen. Stattdessen ging er ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen.
    Vielleicht konnte er das Rätsel um Minette und die verschwundenen Sachen morgen lösen. Jetzt wollte er nur noch schlafen.
    *
    Nachdem sie die Autobahn verlassen hatten, fuhren sie die B229 entlang. Sie kamen durch schlafende Orte, in denen der Sturm tobte. Er schleuderte abgebrochene Zweige über die Fahrbahn, rüttelte an den Laternen, trieb zerbrochene Reklameschilder und aufgeblähte Plastiktüten über leere Parkplätze und wirbelte auf dem Gelände eines Einkaufszentrums einen Sonnenschirm d urch die Lu ft wie einen großen bunten Vogel mit gebrochenem Flügel.
    Ingo war gezwungen, das Tempo zu drosseln. Mehrmals kamen ihnen mit Blaulicht und heulenden Sirenen Feuerwehrwagen entgegen. Er durfte sich gar nicht vorstellen, was passieren konnte, wenn das Glück sie verließ.
    Aus gutem Grund war außer ihnen kaum einer unterwegs.
    Verdammt!, dachte er. Verdammt! Verdammt! Verdammt!
    Trotzdem hätte er mit niemandem tauschen wollen.
    *
    Remscheid. Lennep. Radevormwald.
    Sie hatten es fast geschafft.
    Romy saß in einem Kokon aus Angst.
    Nicht vor dem Sturm fürchtete sie sich. Nicht vor dem, was er ihnen antun könnte.
    Sie hatte Angst vor dem, was sie in Halver erwartete.
    Schon lange hatte sie kein Wort mehr gesagt, obwohl sie Ingo gern unterstützt hätte. Die Fahrt war anstrengend für ihn. Man konnte es daran erkennen, wie seine Hände sich um das Lenkrad verkrampften.
    Aber es waren keine Worte da, die sie hätte aussprechen können. Ihr Kopf war leer. Die Verzweiflung, die in ihr wuchs, lähmte ihre Sinne. Sie konnte nur hoffen, dass sie noch in der Lage sein würde zu reagieren.
    Auf was auch immer.
    *
    Er wehrte sich mit aller Kraft. Aber er spürte bereits, wie der Hass in ihm wach wurde.
    Wie er alles lahmlegte, was gut war in ihm.
    Natürlich gab es bereits einen Plan. Bis hierher hatte er auch bestens funktioniert.
    Nur über die Todesart war er sich noch nicht schlüssig.
    Wie tötet man einen Menschen, den man liebt?
    Sanft. Voller Respekt. Und Liebe.
    Auch wenn die Liebe sich unmerklich mit seinem Hass vermischte. Dem Hass, den die Stimme ausstrahlte. Mit dem sie ihn all die Jahre vergiftet hatte.
    Er hatte so lange nach einem Ausweg gesucht, doch endlich erkannte er, dass es keinen Ausweg gab.
    *
    Björn zermarterte sich das Hirn, um sich daran zu erinnern, wo er das Handy hingelegt hatte.
    Filmriss.
    Der ganze Tag kam ihm im Nachhinein sonderbar vor. Als hätte er ihn erlebt– und sich selbst dabei beobachtet. Als hätten Maxims Fieberschübe ihn irgendwie angesteckt.
    Sein Gesicht im Spiegel war blass und angeschlagen. Unter seinen Augen lagen bläuliche Schatten.
    Im Badezimmer roch es nach Alter und Vergeblichkeit. Die vormals weißen Fugen zwischen den wild gemusterten grünen Wandkacheln waren angegraut, die in der Duschkabine mit den wackligen Schiebetüren schwarzfleckig vom Schimmelpilz.
    Vor der Wanne lag eine zerschlissene Badematte in einem traurigen Ockerton. Auf der Fensterbank stand eine verstaubte Glasschale mit cremefarbenen Kieselsteinen. Die Handtücher waren dünn geworden vom täglichen Gebrauch. In der Ecke beim Fenster lehnte ein Greifarm, mit dem man Gegenstände vom Boden aufheben konnte, ohne sich nach ihnen zu bücken.
    Das Fensterglas war geriffelt, damit man von außen nicht hindurchsehen konnte. Wütend warf sich der Sturm dagegen, als wollte er es eindrücken.
    Nur noch diese Nacht, nahm Björn sich vor, dann würde er Maxim vorschlagen, wieder nach Bonn zu fahren.
    Dieses Haus war nicht ihre Rettung.
    Er spuckte den Schaum ins Waschbecken und spülte sich den Mund aus.
    Dieses Haus war eine Falle.
    *
    Er erhob sich, neigte den Kopf und horchte. Massierte seine Finger. Verschränkte sie ineinander und streckte sie, bis es knackte.
    Fokussierte sein Denken auf das, was er zu tun hatte.
    Er schloss die Augen, atmete tief durch die Nase ein, hielt den Atem eine Weile und ließ ihn langsam wieder durch den Mund entweichen. Diesen Vorgang wiederholte er, bis nichts
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher