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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut
Autoren: Uta Maier
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umfassten fordernd meine Kehle, die Spitzen seiner rasiermesserscharfen Klauen bohrten sich in meine Haut.
    »Ganz allein, ma petite?« Er zischte die Vokale mit französischem Akzent. Sein Blick glitt langsam über meinen Körper, als wollte er mich taxieren, um herauszufinden, wo ich am verletzlichsten war: von meinem Hals hinab zu meinen Hüften bis hin zu meinen Fesseln und wieder zurück in mein Gesicht. »Bien sûr toute seule … ganz allein …«
    Die Stimme meines Angreifers klang belegt und ein bisschen spöttisch, seine freie Hand zog mir meine Kapuze herunter, meinen Schutz vor Schwäche. Überrascht hielt er inne.
    »Aaahh mes amis!« Seine kalten Finger wischten mir Schmutz von den Wangen, den er nachlässig an seiner Hose abstreifte. »Elle est un régal pour les yeux … petite beauté.« Er warf den beiden Blonden einen vielsagenden Blick zu und biss sich obszön auf die Unterlippe. Sogar ich mit meiner nicht vorhandenen Erfahrung wusste, was er sich im Geiste ausmalte. »Petite beauté toute seule.«
    »Conard!« Ich war selbst erschrocken über die Beleidigung, die ich respektlos vor mich hinflüsterte. Seine Reaktion kam zu schnell für mich. Mein Gesicht knallte mit der linken Seite hart an die Tunnelwand. Gelbe Flammen blitzten vor mir auf, die Tasche rutschte von meiner Schulter, ohne dass ich es wirklich mitbekam. Mit einem leisen Zischen drehte er meinen Kopf wieder zu sich.
    Gesichtszüge wie ein Schakal, schräg gestellte, dunkle Augen und eine lange, wallende Haarpracht. Seine Haut glänzte bläulich, vor allem links und rechts der Nasenflügel.
    Ich hatte von Eloi gehört, dass sie schön waren. Aber kaum jemand konnte sagen wieso. Es war nicht nur die porenlose, alabasterweiße Haut, die schimmerte, obwohl kein Licht darauf fiel. Es lag auch nicht an ihren Augen – oder doch? Ich blinzelte. Sie waren kalt und tot wie Grabsteine aus Marmor, und doch so unergründlich lebendig, als würden sie ein Geheimnis bergen, das wir Menschen verloren oder nie gekannt hatten.
    »Kanntest du den Verräter?«
    »Nein.« Das war nicht unbedingt eine Lüge. Er kaufte sie mir trotzdem nicht ab. Mein Kopf flog auf die andere Seite. Wieder Blitze, diesmal greller, weil er mit dem Handrücken zugeschlagen hatte.
    »Noch mal: Gehörst du zu ihm?«
    Ich krallte die Zehen in meinen Ballerinas zusammen. Immer noch hielt mich der Dunkelhaarige im Würgegriff gefangen, schloss seine Finger sekündlich fester um meinen Hals. Irgendein Gefühl sagte mir, dass er mich auf bestialische Weise töten würde, wenn ich seine Frage bejahte.
    »Ich … ich weiß nicht, wer er ist.« Ich presste die Augen zusammen in Erwartung eines erneuten Schlags, der ausblieb. Jeder hätte an meiner Stelle gelogen, trotzdem fühlte ich mich gerade, als hätte ich Lester im Tod einen Judaskuss auf die Wange gehaucht.
    Meine Finger lagen mit der Handfläche an der Mauer, das Medaillon hatte sich von meinem Handgelenk abgewickelt und baumelte aus dem Ärmelsaum heraus, und ich versuchte, es klammheimlich wieder zurückzuschieben.
    »Kjell, Vorsicht!« Der größere der Blonden deutete mit dem Kinn auf meine linke Hand.
    »Was ist das?«
    »Nichts.« Diesmal log ich bewusst. Wütend funkelte ich den Blonden an, als der Schakal nach meinem Handgelenk griff und mir das Schmuckstück mit einem einzigen Ruck entriss.
    »Nichts sieht anders aus!«
    »Ich dachte, es sei eine abgebrochene Diamantspitze«, sagte der Blonde und hob entschuldigend die Achseln. »Hat so gefunkelt.«
    Von meiner rechten Hand rann eine warme Nässe meine Finger hinunter. Ich musste mich bei meinem Sturz an dem Glas einer zerbrochenen Bierflasche geschnitten haben. Ich formte meine Hand hinter dem Rücken zu einer Schale, um das Blut daran zu hindern, wie ein Amuse-Gueule auf den Boden zu tropfen. Besser sie sahen das Amulett als das Blut.
    »Hübsch!« Kjell hatte mich komplett losgelassen und betrachtete das Spiegelamulett flüchtig, dann legte er es sich um. Ich blickte zur Seite, um nicht aus Versehen hineinzusehen. Da hing mein Mut, mein neues Leben und ließ mich zitternd zurück. Der beißende Geschmack von Zorn stach auf meiner Zunge wie auf der Friedhofsmauer.
    »Es gehört mir. Gib es mir wieder!«, hörte ich mich sagen.
    Bitte, lass sie das Blut nicht sehen …
    »Ich werde dir eine ganze Menge geben, ma petite, dein Schmuck wird aber leider nicht dazu gehören!« Kjells rechter Mundwinkel hob sich spöttisch. Er kam mir so nah, dass ich die elektrostatische
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