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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut
Autoren: Uta Maier
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die Farben in bizarren Mustern über uns hinweg: bunt-dunkel-hell-bunt-dunkel, wie ein lebensgroßes Kaleidoskop. Meine Haare flatterten im Wind der hektischen Raumdrehung.
    Dann war es schlagartig still. Irgendjemand brüllte wutentbrannt: »Pontus!« – und ich wurde nach vorne gestoßen.
    Der Kampf begann ohne Vorwarnung. Meine Augen waren nicht für die Schnelligkeit der Vampire gemacht. Ich sah noch, wie Pontus dem Lichtträger die Diamantsonne abrang und sich kämpferisch auf die drei Vampire stürzte. Ich warf einen gehetzten Blick um mich: eine verfallene, graue Produktionshalle mit stählernen Streben, beschmierte Wände, Müllcontainer und haufenweise Schutt. Am Ende der Halle verschwand Milo gerade hinter einer Tür, über der ein altes Notausgang-Schild baumelte. Ich dachte nicht lange nach, spurtete zu einer Reihe Müllcontainer und entdeckte dahinter eine Treppe, die zu einer Galerie führte. Mit zitternden Beinen stieg ich hinauf, die Finger um den wackeligen Handlauf geklammert. Pontus und Kjell umkreisten sich feindselig, von den beiden Blonden fehlte jede Spur. Ich legte mich flach auf den Boden und schob mich weiter voran. Ich musste aus der Halle heraus, bevor der Kampf vorbei war. Der schmale Vorsprung hatte sicher einmal zur Überwachung der Produktion gedient und zu meiner Erleichterung verlief er bis an das vordere Ende der Werkshalle. Mit etwas Glück käme ich dort hinaus und könnte mich irgendwo auf dem Gelände bis zur Morgendämmerung verstecken. Aber das waren zwölf Stunden! Vorsichtig lugte ich nach unten.
    »Ich hätte dich lieber unter anderen Umständen wiedergetroffen, Pontus.« Ich betrachtete Kjells Gesicht. Trauer umschattete seine dunklen Augen, sie passte nicht so recht zu seinem Auftreten von vorhin.
    »Dieses Gebiet gehört Damontez!«, hörte ich den Blonden antworten. Seine Stimme war schön wie Musik. Das Timbre angenehm weich und dunkel. Er ging nicht auf Kjells Worte ein.
    »Noch!«
    »Hast du es ihr verraten?« Kjell machte einen Schritt nach vorn. Pontus hatte die Kapuze abgesetzt. Von Weitem sah er mit den langen, blonden Haaren aus wie ein Engel, aber in seinen Zügen lag etwas Gnadenloses. Das, was mir Eloi über ihre Schönheit erzählt hatte, bewahrheitete sich in diesem Gesicht in erschreckender Form – und doch war da noch mehr. Wie bei einem Wackelbild sah er einmal heilig und einmal dämonisch aus. Schrecklich dämonisch! Seine Augen glühten in der Dunkelheit der Halle wie hellblaues Feuer.
    »Was soll ich ihr verraten haben?« Pontus stellte den Speer neben sich auf den Boden, wie um einen kurzen Waffenstillstand zu signalisieren.
    »Du bist der Einzige, der es weiß. Der Sommer in Paris, die Musik von Charpentier.« Er machte einen weiteren Schritt auf den Blonden zu. »Rue. De. Turin.« Jedes Wort war eine fast wehmütige Anklage. »Woher sollte sie das wissen, wenn nicht von dir? Es ist über zweihundert Jahre her. Und dann tauchst du auch noch als heldenhafter Retter auf.«
    Ich sah Pontus lächeln. »Mädchen lassen sich immer von rührseligen Geschichten beeindrucken. Sie fand es herzzerreißend.« Er log. Er log für mich! Aber mit welcher Absicht?
    »Du hättest ihr nicht unbedingt meine Geschichte erzählen müssen. Um der alten Zeiten willen.«
    Pontus winkte nur ab. »Es herrscht Krieg, Kjell. Die alten Zeiten sind lange vorbei. Du kannst froh sein, wenn ich dich am Leben lasse – um der alten Zeiten willen.«
    »Ihr Blut ist eine heilige Sünde, Pontus! Aliquid Sanctum !« Kjell malte bei den letzten Worten zwei Anführungszeichen in die Luft und wirkte dabei im Gegensatz zu dem Blonden ausgesprochen menschlich.
    »Als ob dir jemals etwas heilig gewesen wäre! Bist du deswegen noch hier? Wegen ihres Blutes?«
    »Du tötest mich nicht.« Kjells Wehmut wich einer furchterregenden Grimasse. Er war sich dessen absolut sicher, das würde auch erklären, warum er als Einziger nicht geflohen war. »Ich weiß, was man über die Spiegelseelen sagt!« Kjell kam näher, obwohl Pontus die Speerspitze anhob. »Man sagt, Himmel und Erde existieren für sie nebeneinander wie zwei Länder. Und sie könnten in das eine reisen, ohne das andere wirklich zu verlassen. Vielleicht hast du ihr überhaupt nichts gesagt und sie hat meine verlorene Seele gespiegelt.«
    »Es wird viel geredet.«
    »Wenn du ihr tatsächlich alles erzählt hast, aus welchen Gründen auch immer, kennst du sie wohl gut. Wieso läuft sie dann vor dir davon, anstatt bei dir Schutz zu
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