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SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)
Autoren: Hilmar Schmundt
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fühle mich wie ein Pionier. Eigentlich habe ich damit den Job des Verlags erledigt, dem ich gern zehn Euro für ein E-Book bezahlt hätte. Wieso will er mein Geld nicht?
    Bücher brechen auf und verflüssigen sich, und auch die Besitzverhältnisse geraten ins Fließen. Meine E-Books gehören mir nie ganz. Diese Erfahrung machten Kindle-Kunden schon vor ein paar Jahren, als ihnen Bücher wegen eines Lizenzstreits mit dem Rechteinhaber einfach so vom Lesegerät gelöscht wurden – darunter auch „1984“, George Orwells dystopischer Roman über den totalen Überwachungsstaat.
    Diese Entrechtung ist ein Ärgernis. Ich darf zahlen, bin aber nicht Besitzer, sondern nur geduldeter Gast in meiner eigenen Bibliothek. Das ist die Kehrseite der befreienden Besitzlosigkeit. „Aus dem Streben nach Eigentum wird ein Streben nach Zugang, nach Zugriff auf das, was diese Netzwerke zu bieten haben“, schrieb der amerikanische Autor Jeremy Rifkin in seinem Buch „Access“ im Jahr 2000. Sein Buch erklärt vieles von dem, was ich mit digitalen Büchern erlebe. „Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden“, heißt es im Untertitel. Eine seiner Thesen : „Der Kapitalismus von morgen ist eine Bühne, keine Fabrik“:
    „Im Zeitalter des Zugriffs geht es nicht mehr darum, möglichst große Stückzahlen eines Produkts zu verkaufen. Die langfristige Kundenbeziehung steht im Zentrum aller unternehmerischen Bemühungen. Kunden werden in ihrem ‚Lifetime Value‘ (LTV) wahrgenommen, in dem wirtschaftlichen Potenzial ihrer ganzen Lebensspanne. Die Kontrolle über den Konsumenten ist so wichtig wie in der traditionellen Wirtschaft die Kontrolle über die Arbeitskräfte – Kundendaten werden so zu einer lebenswichtigen Ressource für Unternehmen.“
    Ironie der Geschichte: Rifkins Buch ist für zwar in der deutschen Amazon-Filiale als E-Book erhältlich, nicht aber in der amerikanischen, wo ich angemeldet bin. Und bei meinem deutschen E-Book-Shop wurde es mir ja leider gesperrt, obwohl ich für die Datei 9,99 Euro bezahlt habe. Der Untertitel von Rifkins Buch beschreibt meine Situation treffend: „Vom Verschwinden des Eigentums“.
    Im Netz bekomme ich die Papierausgabe von Rifkins Buch gebraucht für 1,55 Euro. Ich werde das Buch bestellen und direkt nach Kalifornien schicken lassen, zwecks Guillotinierung und digitaler Wiedergeburt.
    Nicht die verkauften Stückzahlen zählen laut Rifkin in der Zugangsgesellschaft, sondern die Kundenbeziehungen. Die Melodie für dies Umdenken geben die Musikstreaming-Angebote wie Soundcloud und Spotify vor. Firmen wie Skoobe (das Wort E-Books rückwärts gelesen) versuchen, das Spotify-Modell auf den Buchmarkt zu übertragen. Sie bieten gegen eine Pauschale Zugriff auf eine Liste von E-Books. Die Auswahl war zumindest Anfang 2012 noch bescheiden und deckte nicht einmal die Bestsellerlisten ab. Das Herunterladen ist je nach Angebot auf drei, fünf oder fünfzehn Bücher gleichzeitig beschränkt, Unterstreichungen können nicht gespeichert werden. Das Buch wird flüchtig wie eine Theaterperformance, zurück bleibt nur die Erinnerung.
    Das Flatrate-Lesen erinnert ein wenig an die Funktion von Bibliotheken. Die New York Public Library zum Beispiel verleiht pro Jahr über eine halbe Millionen E-Books über das System „OverDrive“. Zeitweise weigerten sich einzelne Verlagshäuser wie Simon & Schuster oder Penguin, ihre E-Books von Bibliotheken verleihen zu lassen.
    Das ist verständlich – aber ist es auch gesellschaftlich akzeptabel? Man stelle sich vor, ein Verlag würde Bibliotheken verbieten wollen, die von ihnen rechtmäßig gekauften Papierbücher zu verleihen. In der digitalen Welt kommt er damit durch. Noch. Vielleicht auch deshalb, weil einige Zellulose-Nostalgiker gegen das E-Book per se polemisieren, anstatt die Details ins Auge zu fassen. Und sich, wo es notwendig erscheint, für eine Verbesserung einzusetzen.

Eigentümliches Eigentum
    Teilweise hat der Kontrollverlust über meine Bücherregale auch etwas Befreiendes. Wissen konnte man noch nie physisch besitzen, nur erinnern. Das erkannte schon der griechische Philosoph Sokrates vor 2400 Jahren. Als einer der ältesten Medienkritiker der Welt tat er sogar die Schrift selbst als oberflächliches Medium ab, das weit zurückbleibe hinter der gesprochenen Sprache. Ganz einig sind sich die Gelehrten über die Zuverlässigkeit dieser Aussagen allerdings nicht. Denn Sokrates hinterließ konsequenterweise keine Aufzeichnungen, das
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