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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)
Autoren: Georg Mascolo
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Unternehmen rechnet sich ein investierter Euro mit zehn eingesparten Euro durch verminderte Fehlzeiten und erhöhte Produktivität", sagt Heinz Kowalski, Geschäftsführer des Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung in Köln.
    Die Werksärzte von BASF zum Beispiel setzten sich mit dem Thema Burnout bereits auseinander, als die meisten niedergelassenen Hausärzte den Begriff noch gar nicht kannten. Schon 2001 veröffentlichte ein Ärzte-Team des Chemiekonzerns einen Fachaufsatz über den "Stress in der Arbeitswelt". Seit 2008 setzen sie ihr Stressmanagement-Programm weltweit ein.
    Heute leitet Stefan Lang den medizinischen Dienst des Konzerns und die Ambulanz in Ludwigshafen. Von seinen 145 Mitarbeitern sind 26 Ärzte. "Natürlich haben auch bei uns, wie in allen Unternehmen, in den vergangenen Jahrzehnten die stress- und psychisch bedingten Gesundheitsprobleme an Bedeutung gewonnen", sagt Lang.
    Der Mediziner ist davon überzeugt, dass die Möglichkeiten und Chancen eines konsequenten Gesundheitsmanagements unterschätzt werden. "Der normale Medizinbetrieb ist vor allem mit der Heilung von Krankheiten beschäftigt, unsere Aufgabe als Arbeitsmediziner ist es, Krankheiten zu verhindern." BASF bietet jedem Mitarbeiter einen jährlichen Gesundheitscheck an. Das Angebot an Programmen, Seminaren, Kursen und Kuren für die Mitarbeiter ist kaum noch zu überblicken.
    Dass viel nicht unbedingt viel hilft, weiß auch der Mediziner. Ihn wundert eher, dass etliche Unternehmen noch immer nicht daran interessiert zu sein scheinen, was wirklich nützt. Lang veröffentlichte eine wissenschaftliche Studie zum eigenen Gesundheitsprogramm, das BASF seit 1983 seinen Mitarbeitern anbietet. Sein Ärzte-Team verglich die Lebensläufe von Teilnehmern und Nichtteilnehmern an den Programmen. Insgesamt werteten sie die Krankengeschichten von über 24   500 langjährigen BASF-Beschäftigten aus. "Bei der Kontrolle, wie unser Gesundheitsprogramm wirkt, haben wir uns für den härtesten Erfolgsmesser in der Medizin entschieden: die Sterberate", sagt Lang. Das Ergebnis war eindeutig: Für Absolventen des Gesundheitsprogramms war das Risiko, vorzeitig zu sterben, um bis zu 17 Prozent niedriger als bei der Vergleichsgruppe.
    Für Lang gehören Stress- und Gesundheitsmanagement deshalb zu den großen Führungsaufgaben in den Chefetagen aller Unternehmen. Der demografische Wandel, gekoppelt mit der weiteren Beschleunigung der Arbeitswelt, lasse den Managern gar keine andere Wahl.
    Aber nicht alle hatten so viel Glück wie SPD-Mann Björn Engholm. Der einstige Kanzlerkandidat sitzt in der Küche seiner Wohnung mit Blick auf den weitläufigen Garten am Rande von Lübeck. Während seiner Zeit als aktiver Politiker nahm sich der heute 71-Jährige immer wieder Auszeiten. Abends hieß es für ihn: "Schluss für heute!" Dann streifte er sich den Rollkragenpullover über, schlüpfte in Jeans, besuchte Ausstellungen, Konzerte, traf sich mit Freunden und Künstlern, um "in anständigen Kneipen auch mal ordentlich einen reinzuhauen". Deshalb haftete ihm stets das Etikett an, ein Schöngeist und Teil der Toskana-Fraktion zu sein – obwohl er nur einmal im Leben Urlaub in Oberitalien gemacht hat. Es war Engholms Lebensstil, der dem schon damals hektischen Politikbetrieb suspekt war.
    Heute hören ihm Personalvorstände gerade wegen dieses Lebensstils zu. "Ich habe mit dem Thema mannigfaltig Erfahrungen im Freundeskreis gemacht", sagt der Anti-Burnout-Berater Engholm. "Ich selber bin halbwegs verschont geblieben, trotz mancher Krisen." Er habe stets darauf geachtet, dass sich sein Leben nicht nur um den Beruf drehe.
    Heute erschaffe die rasende Gegenwart Menschen, die versuchen, schon mit 26 Jahren Promotion und mehrjährige Auslandserfahrung vorweisen zu können. Das soll totale Flexibilität und geringe persönliche Ansprüche signalisieren. "Wer sich so unter Druck setzt, der gehört zu den Kandidaten, die eines Tages Hilfe brauchen", sagt Engholm.
    Wenn er manchmal bei Vorstellungsgesprächen in den von ihm beratenen Firmen dabei ist, fragt er die Bewerber, was sie zuletzt im Theater gesehen haben, welches Buch sie lesen oder ob sie sich sozial engagieren. Meist lautet die Antwort: keine Zeit.
    Solche Anreize aber erhöhten die Kreativität, diese Selbstregulierungsfähigkeit schwinde bei vielen: "Die Leute müssen wieder lernen, dass ihr Zugang zur Welt nicht allein das Internet ist, sondern die Summe ihrer fünf Sinne: sehen, hören, riechen,
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