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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)
Autoren: Georg Mascolo
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illustrieren", findet Sparr. "Gerade im Gesundheitswesen hat der Faktor Stress extrem zugenommen. Renditen erhöht man in der Regel nur, wenn man mit weniger Personal mehr Patienten versorgt", so der Mediziner nüchtern. Es soll kein Vorwurf an seinen langjährigen Arbeitgeber sein. "Die Welt ist, wie sie ist."
    Aber Sparr wollte nicht länger Teil dieser Welt sein. Weil er als Chefarzt auch noch nach Zwölf-Stunden-Tagen zum Teil 14 Tage Rufbereitschaft pro Monat hatte, zog er vor einem Jahr den Schlussstrich und verabschiedete sich mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand.
    Jetzt unternimmt er mit seiner Frau ausgedehnte Reisen. Kürzlich ist er zu den "Weißen Nächten" nach St. Petersburg aufgebrochen. Für ihn ist das Rennen gelaufen.
    Natürlich können sich die wenigsten leisten, einfach aus dem Beruf auszusteigen, wenn es zu stressig wird. Im Gegenteil: Jeder muss lernen, mit dem Stress umzugehen und individuelle Lösungen zu finden, damit es gar nicht erst zum Burnout kommt. Wer darauf vertraut, dass es seine Firma für ihn schon richten wird, bleibt gefährdet.
    "Der Weg aus der Erschöpfungsspirale führt nicht über noch bessere Anpassung, indem man noch schneller arbeitet, seine Projekte noch effizienter managt, sich noch besser über die Abläufe im Unternehmen informiert, sondern über das genaue Gegenteil", sagt Hans-Peter Unger, Chefarzt der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios-Klinik in Hamburg. "Ein gewisser Eigensinn stoppt den Stress."
    Gemeinsam mit der Autorin Carola Kleinschmidt hat Unger den Ratgeber "Bevor der Job krank macht" verfasst. Im Kern stellen beide nur drei Fragen, an denen sich das individuelle Wohlbefinden festmachen lässt:
Achte ich gerade genug auf mich selbst, meine Rhythmen, Bedürfnisse, Körpersignale?
Handle ich im Moment verantwortlich und wertschätzend mir selbst und mir wichtigen anderen Menschen gegenüber?
Entspricht meine Arbeit meinen persönlichen Wertvorstellungen und Lebenszielen?
    Spätestens wenn alle drei Fragen klar mit Nein beantwortet werden, ist es Zeit zu handeln. Unger bietet keine Patentrezepte an, denn die gibt es nicht. Dennoch gibt es einige zentrale Punkte, die jeder beherzigen sollte.
    Der Mediziner weiß, dass Arbeit für viele Menschen auch Selbstverwirklichung bedeutet und nicht nur Last. Aber jeder soll bewusst entscheiden, wo die Grenze zwischen Arbeit und Persönlichem mit Familie, Freunden und Freizeitaktivitäten verläuft. Niemand dürfe sich als Opfer eines Systems fühlen, sondern eigensinnig sehen, wie und wo man etwas verändern könne, wofür jeder letztlich auch selbst verantwortlich ist.
    Unger nennt dieses Vorgehen "innere Verträge" schließen, also sich eigene Zielen zu setzen. Dazu gehört auch, auf eigene Körpersignale zu achten. "Nur wer in Kontakt mit sich selbst steht, lässt sich nicht hetzen", sagt Unger. So könne man "zwischen äußerer Hektik und eigenem Tempo" unterscheiden. Zudem sollte jeder dem eigenen Biorhythmus gehorchen. Es ergibt keinen Sinn, sich am späten Abend an die Lösung schwieriger Aufgaben zu machen, wenn der Vormittag die Zeit der höchsten Leistungsbereitschaft ist. Die Chronobiologie zeige, dass innere Zeitgeber, bestimmte Hirnzentren und phasenhafte Hormonausschüttungen unseren 24-Stunden-Rhythmus takten.
    Letztlich gelte es auch, auf scheinbar banale Dinge zu achten: Verfüge ich über eine gute Partnerschaft, ein stabiles soziales Umfeld? Treibe ich Sport als körperlichen Ausgleich? Akzeptiere ich auch mal ein Scheitern und sehe das nicht gleich als großes persönliches Unglück? Verzichte ich auch mal auf ein Projekt, eine Aufgabe, einen Auftrag? "Menschen, die diesen Sachverhalt nicht akzeptieren, sondern immer versuchen, die optimale Wahl zu treffen, laufen Gefahr, sich in der Vielzahl der Optionen zu verlieren – und am Ende gänzlich entscheidungsunfähig zu werden", sagt Unger. Das gilt für Jung und Alt, Akademiker wie Arbeiter, Reiche wie Arme.
    Der Berliner Stadtteil Neukölln zum Beispiel ist als sozialer Brennpunkt der Republik berüchtigt: Mehr als ein Drittel der 307   000 Einwohner sind Migranten, 43 Prozent aller Menschen unter 25 beziehen Hartz IV, der Bezirk gibt weit mehr als die Hälfte seines 703-Millionen-Euro-Etats für Transferleistungen aus.
    In den Jobcentern, Sozialbehörden oder Wohngeldstellen des Bezirksamts arbeiten knapp 1900 Menschen. Noch immer hält sich hartnäckig das Klischee, deren Büros seien der letzte Hort der Nichtstuer.
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