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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)
Autoren: Georg Mascolo
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Doch sie sind gefordert, wie alle Arbeitnehmer – und deshalb auch in vielen Fällen überfordert.
    Zehn Prozent beträgt der Krankenstand, der in Berlin nicht so heißen darf. Lieber spricht man von Gesundheitsquote. Es hört sich zwar besser an, dass 90 Prozent fit sind. Doch es hilft nichts: Der Krankenstand im Bezirksamt Neukölln ist mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
    Für den hemdsärmeligen Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky war es Zeit zu handeln. Vor knapp einem Jahr installierte er ein Programm, das Burnout-Fälle verhindern soll. Buschkowsky engagierte externe Fachleute, an die sich seine Mitarbeiter in allen Lebenslagen und zu jeder Tages- und Nachtzeit telefonisch wenden können.
    Obwohl Berlin chronisch knapp bei Kasse ist, lässt sich der Bezirk Neukölln die Maßnahme jährlich einen sechsstelligen Betrag kosten. "Nichts zu tun ist wesentlich teurer", sagt Buschkowskys Gesundheitsbeauftragte, Françoise Lancelle. "Jeder Prozentpunkt, den wir beim Krankenstand runterkommen, spart uns 250   000 Euro im Jahr."
    Insgesamt geben deutsche Unternehmen für die Gesundheitsvorsorge ihrer Mitarbeiter rund 4,7 Milliarden Euro aus – Tendenz steigend. So verwundert es kaum, dass rund ums Thema Burnout auch eine Art Wohlfühl-Industrie entstanden ist, mit Reha-Kliniken und Ratgeberliteratur, Coaching-Agenturen und Führungsseminaren.
    Unternehmensberatungen wie Deloitte oder McKinsey, die früher die Unternehmen auf Effizienz getrimmt haben, verdienen heute Geld mit Beratungsprogrammen für ein "gesundes Unternehmen".
    Walter Scheurle, Personalvorstand der Deutschen Post AG, und sein "Chief Medical Officer" Andreas Tautz staunten nicht schlecht, als ihnen Unternehmensberater kürzlich massenweise Ruheliegen der Firma Brainlight (Unternehmensmotto: "Life in Balance") für ihre Postboten andrehen wollten. Startpreis: 4998 Euro pro Stück, dafür aber mit Verdunklungsbrille, Farbwechselspielen und entspannender Chill-out-Musik.
    "Man glaubt es kaum, wie viele abstruse und dubiose Anbieter sich da draußen tummeln", erzählt Tautz. Firmen, die ihm für 17 Euro pro Mitarbeiter Bildschirm- und Arbeitsplatzanalysen erstellen wollen. Diätberater, die "letztlich nur irgendwelche Instantpulver verticken", so Tautz, oder Hersteller von Einlegesohlen, um Schuh- und Fußkrümmungen bei den Boten zu vermeiden.
    Solche Angebote zielen allerdings im Wortsinn aufs Fußvolk. Exquisiter geht es da schon in Schloss Elmau zu, das sich auch "Luxury Spa & Cultural Hideaway" nennt. In den Bergen hinter Garmisch-Partenkirchen können geplagte Manager "Yoga Retreats", "Thai-Weeks" oder "Anti-Burn-Out-Packages" buchen, darin enthalten: drei Physio-Relax-Massagen, zwei Salzwasser-Floating-Behandlungen, täglich jeweils eine Einheit Nordic Walking, Pilates sowie Tai Chi Chuan oder Yoga und leichte vitale Vollkost – alles unter Anleitung erfahrener Mediziner.
    Natürlich können solche Angebote vieles – nur nicht einen Burnout verhindern. Sie zielen auf den Augenblick und nicht auf nachhaltige Hilfe. Damit nimmt es Andrea Gensel schon genauer.
    Die 48-Jährige arbeitet seit neun Jahren in der psychologischen Beratung für Unternehmen, vor zwei Jahren gründete sie CarpeDiem24. Gensel, Betriebspsychologin und Mutter zweier Kinder, hat sich schon früh auf das sogenannte Employee Assistance Program (EAP) spezialisiert. In den USA gehören solche Programme längst zum Standard, hierzulande betrat die Lübeckerin Neuland.
    Im Rahmen eines solchen Programms können sich Mitarbeiter eines Unternehmens rund um die Uhr mit allen Problemen anonym an externe Experten wenden. Zwischen 1,10 Euro und maximal 5,80 Euro pro Mitarbeiter kostet das Grundpaket die Firmen im Monat. Weitere Leistungen können dazugebucht werden.
    Gensel beschäftigt mittlerweile 40 Mitarbeiter, darunter Ärzte, Psychologen und Therapeuten, in ihrem Beirat sitzt der ehemalige SPD-Vorsitzende Björn Engholm. Großkunden wie der Flughafen München oder Vestas Windkraft gehören genauso zu ihren Klienten wie der Pumpenbauer Grundfos oder Hansa-Milch. Auch Niederegger berät Gensel in Führungsfragen. "Viele Beschäftigte spüren einfach nicht mehr, wo ihr Limit liegt, für sie können wir ein hilfreiches Korrektiv sein."
    Laut einer Erhebung des Wissenschaftlers Larry Chapman zahlt sich jeder Euro, der in betriebliche Prävention investiert wird, volkswirtschaftlich fünffach aus. In den Firmen selbst sei der Faktor deutlich höher. "In vielen
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