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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Autoren: Johann Gottfried Seume
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man durch Gesetze geschützt; hier sichert nur Klugheit und Kraft, selten Gerechtigkeit. Der gegenwärtige Schritt rechtfertigt die Furcht vor dem künftigen. Zutrauen gibt das nicht. Ich hätte von Berlin in diesen Verhältnissen zu Dresden solche Resultate nicht erwartet.
    In Weimar freute ich mich, einige Männer wiederzusehen, die das ganze Vaterland ehrt. Der Patriarch Wieland und der wackere Böttiger empfingen mich mit freundschaftlicher Wärme zurück. Die Herzogin Mutter hatte die Güte, mit vieler Theilnahme sich nach ihren Freunden diesseits und jenseits der Pontinen zu erkundigen und den unbefangenen Pilger mit Freundlichkeit zu sich zu laden. Jedermann kennt und schätzt sie als die verehrungswürdigste Matrone, wenn sie auch nicht Fürstin wäre.
    Als ich den andern Morgen durch das Hölzchen nach Naumburg herüber wandelte, begegnete mir ein preußisches Bataillon, das nach Erfurt zog. Wenn man in dem nämlichen Rocke mit der nämlichen Chaussüre über Wien und Rom nach Syrakus und über Paris zurückgegangen ist, mag der Aufzug freilich etwas unscheinbar werden. Es ist die nicht löbliche Gewohnheit unserer deutschen Landsleute, mit den Fremden zuweilen etwas unfein Neckerei zu treiben. Die Soldaten waren ordonnanzmäßig artig genug; aber einige Offiziere geruhten sich mit meiner Personalität ein Späßchen zu machen. Ich ging natürlich den Fußsteg am Busche hin, und der Heereszug zog den Heerweg. Einer der Herren fragte seinen Kameraden in einem etwas ausgezeichneten pommerischen Dialekte, den man auf dem Papier nicht so angenehm nachmachen kann: »Was ist das für ein Kerl, der dort geht?« Der andere antwortete zu meiner Bezeichnung: »Er wird wohl gehen und das Handwerk begrüßen.« »Nein«, antwortete eine andere Stimme, »ich weiß nicht, was es für ein närrischer Kerl sein mag; ich habe ihn gestern bei der Herzogin im Garten sitzen sehen.« Übersetze das erst etwas ins Pommerische, wenn Du finden willst, daß es mir ziemlich schnakisch vorkam. Indessen glaube ich unmaßgeblich, die Herren hätten ihre Untersuchung und Beurteilung über mich etwas höflicher doch wohl einige Minuten sparen können, bis ich sie nicht mehr hörte. Aber mit einem Philister macht bekanntlich ein preußischer Offizier nicht viel Umstände. Ob das recht und human ist, wäre freilich etwas näher zu bestimmen.
    Meiner alten guten Mutter in Posern bei Weißenfels war meine Erscheinung überraschend. Man hatte ihr den Vorfall mit den Banditen schon erzählt, und Du kannst glauben, daß sie meinetwegen etwas besorgt war, da sie als orthodoxe Anhängerin Luthers überhaupt nicht die beste Meinung von dem Papst und seinen Anordnungen hat. Sie erlaubte durchaus nicht, daß ich zu Fuße weiter ging, sondern ließ mich bedächtlich in den Wagen packen und hierher an die Pleißenburg bringen. Du kannst Dir vorstellen, daß ich froh war, meine hiesigen Freunde wiederzusehen. Schnorr war der erste, den ich aufsuchte, und das enthusiastische Menschenkind warf komisch den Pinsel weg, zog das beste seiner drolligen Gesichter und machte mit einem Sprung einen praktischen Kommentar auf Horazens Stelle, daß man bei der Rückkehr eines Freundes von den Zyklopen wohl ein bißchen närrisch sein könne.
    Morgen gehe ich nach Grimma und Hohenstädt, und da will ich ausruhen trotz Epikurs Göttern. Mir deucht, daß ich nun einige Wochen ehrlich lungern kann. Wer in neun Monaten meistens zu Fuße eine solche Wanderung macht, schützt sich noch einige Jahre vor dem Podagra. Zum Lobe meines Schuhmachers, des mannhaften, alten Heerdegen in Leipzig, muß ich Dir noch sagen, daß ich in den nämlichen Stiefeln ausgegangen und zurückgekommen bin, ohne neue Schuhe ansetzen zu lassen, und daß diese noch das Ansehen haben, in baulichem Wesen noch eine solche Wanderung mitzumachen.
    Bald bin ich bei Dir, und dann wollen wir plaudern; von manchem mehr als ich geschrieben habe, von manchem weniger.
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