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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Autoren: Johann Gottfried Seume
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der willkürlicher mit uns verfährt als je ein Bourbonide; wer ihm mißfällt, ist Verbrecher, und ihm mißfällt jeder, der selbständige Freiheit und Vernunft atmet. Er weiß sich vortrefflich die ehemalige Wut und den Haß der Parteien zunutze zu machen.«
    Weiter nach Mainz redete man nichts mehr von der Republik und den öffentlichen Geschäften, sondern klagte nur über den Druck und die Malversation der Kommissäre und jammerte über die neue Freiheit. »Den Zehnten geben wir nicht mehr, den behalten wir«, sagen die Bauern mit Bitterkeit. Eine grausamere Aposiopese kann man sich kaum denken, wenn auch die neun Zehnteile eine großer Hyperbel sind. Ein Zeichen, daß die Regierung wenig nach vernünftigen Grundsätzen verfährt, ist nach meiner Meinung immer, wenn sie militärisch ist, und wenn man anfängt, ausschließlich den Bürger von dem Krieger zu trennen. In Frankreich macht der Soldat wieder alles, und was ein General sagt, ist Gesetz in seinem Distrikt. Die nächsten Militäre nach dem Konsul bezeichnen ihren Charakter genug durch ihre Bereicherung. Der allgemeine Liebling der Nation ist Moreau, und der Mann verdient ohne Zweifel die große, stille Verehrung seines ganzen Zeitalters. Ich bin nirgends gewesen, in Deutschland, Italien und Frankreich, wo man nebst seinen Kriegstalenten nicht seine tadellose Rechtlichkeit, seine Mäßigung und Humanität gepriesen hätte. Er soll es ausgeschlagen haben, Offizier der Ehrenlegion zu werden, die soeben errichtet werden soll, und die jeder Republikaner für unrepublikanisch und für die Wiederauflebung des Feudalwesens hält. Man tut ihm vielleicht keinen Dienst, ihn mit dem öffentlichen System in Kollision zu setzen; aber seine Unzufriedenheit wird überall ziemlich laut erzählt. Seine Parteigänger, die weniger Mäßigung haben als er selbst, wünschten ihn hier und da laut am Ruder und sagen bedeutend nur,
Moreau grand consul;
zogen aber die Worte so sonderbar, daß es klang wie
Mort au grand consul
. Die Sprache erleichtert viel solche Spiele, hinter welche sich die Parteisucht versteckt.
    Das System des Konsuls liegt nun wohl ziemlich am Tage und leidet keine Mißdeutung. Alles ist gekommen, wie vorherzusehen war, nur mit etwas schnelleren Schritten. Das Buch
Napoleon Bonaparte und das französische Volk
gibt den Gang der Dinge ziemlich richtig an, wenn man nur die Vehemenz gegen die Person und einige unwichtige Irrtümer und gleichgültige Personalitäten abrechnet. Die Zeichnung der Nation ist in demselben, trotz der klassischen Gelehrsamkeit, zu grell, und jedes andere Volk würde in den nämlichen Umständen höchstwahrscheinlich das nämliche sein. Die Briten, als die entgegengesetzteste Nation, haben es bei ihrer Revolution auch bewiesen. Bonaparte ist unstreitig der vollendetste Mann seiner Art; die Geschichte hat bis jetzt keinen größern. Er erschöpft ganz den griechischen Sinn des griechischen Worts. Traurig ist es für den geläuterten Menschensinn, daß solche Erscheinungen bei unserm gepriesenen Lichte noch möglich sind, aber zermalmend für alle bessern Hoffnungen, daß man sie sogar als notwendig annehmen muß. Alles, was zur Grundlage einer vernünftigen Freiheit und Gerechtigkeit dienen konnte, ist wieder zerstört. Die militärische Regierung ist mit dem eisernsten Zwange wieder eingeführt, alle Wahlen sind so gut als aufgehoben, die Juries, als das letzte Palladium der Freiheit, sind vernichtet, und damit die emporstrebende Vernunft der Despotie keine Streiche spiele, ist durch eine gemessene Erziehung sehr klug jeder liberale Forschergeist in Philosophie und Naturrecht verbannt. Ob Bonaparte mit seinem Anhang dabei die menschliche Natur ganz richtig berechnet habe, ist sehr zu bezweifeln. Mir selbst ist es ziemlich klar, daß er auf diesem Wege das alte Herrschersystem mit seinem ganzen Unwesen wiedergründen wird oder eine neue Revolution notwendig macht.
Tertium non datur
. Die Folge für die Humanität ist dabei leicht zu berechnen. Er hätte ein Heiland eines großen Teils der Menschheit werden können und begnügt sich, der erste wiedergeborene Sohn der römischen Kirche zu sein. Er läßt sich halten, wo er hätte stehen können. Er hat eine lichtvolle Ewigkeit gegen das glänzende Meteor eines Herbstabends, Ehre gegen Ruhm ausgetauscht. Noch ist er zwar nicht bis zu Dionysens Nußschale und Pferdehaar gekommen, aber die Umschanzung von seinen Söldlingen und Trabanten zeigt hinlänglich von der unsichern Angst, welche
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