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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Autoren: Johann Gottfried Seume
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Mittelstadt, die gerade genug Genuß des Lebens gibt für Leib und Seele, um nicht zu fasten und sich nicht zu übersättigen. Im Fall eines Krieges mit den Franzosen liegt es freilich schlimm; die Herren können alle Nächte eine Promenade von Mainz herüber machen, den Morgen hier zum Frühstück und zum Abendbrote wieder zu Hause sein.
    Bei der Frau von Laroche in Offenbach traf ich den alten Grafen Metternich, wenn ich nicht irre, den Vater des kaiserlichen Gesandten in Dresden. Er war ehemals Minister in den Niederlanden; und nie habe ich einen Mann von öffentlichem Charakter gesehen, zu dem ich in so kurzer Zeit ein so großes, reines Zutrauen gefaßt hätte, so sehr trägt sein Gesicht und sein Benehmen den Abdruck der festen Redlichkeit mit der feinsten Humanität!

Leipzig

    Meine Runde ist nun vollendet, und ich bin wieder bei unsern väterlichen Laren an der Pleiße. Von Frankfurt aus ging ich über Bergen in Gesellschaft nach dem Örtchen Bischofsheim, wo man mir ein freundliches Mahl zugedacht hatte. Bei Bergen und Kollin haben unsere Landsleute gezeigt, daß sie nicht schuld an den übeln Streichen bei Pirna waren. Vor Hanau ging ich vorbei und hielt mich immer die Straße nach Fulda herein. Die Hitze des vorzüglich heißen Sommers drückte mich zwar ziemlich, aber ich nahm mir Zeit, ruhte oft unter einem Eichbaume und war die Nacht mit den schlechten Wirtshäusern zufrieden. Auf meiner ganzen Reise hatte ich sie nicht so schlecht gefunden als hier einige Male in Hessen. Zwischen Fulda und Hühnefeld drückte mich die Hitze furchtbar, und der Durst war brennend; und auf meiner ganzen Wanderung habe ich vielleicht keine so große Wohltat genossen, als da ich sodann links an der Straße eine schöne Quelle fand. Leute, welche einen guten Flaschenkeller im englischen Wagen mit sich führen, haben von dieser Erquickung keinen Begriff. Der Hitze haben sie im Wagen zwar nicht viel weniger, aber die Erfrischung können sie nicht so fühlen. Du darfst mir glauben, ich habe dieses und jenes versucht. In Hünefeld war Schießen, die Gesellschaft der Honoratioren speiste in meinem Wirtshause, und ich hatte das Vergnügen, die Musik so gut zu hören, als man sie wahrscheinlich in der Gegend und aus Fulda hatte auftreiben können. Wenn auch zuweilen eine Kakophonie mit unterläuft, tut nichts; sie können das Gute doch nicht ganz verderben, ebensowenig als man es in der Welt durch Verkehrtheit und Unvernunft ganz ausrotten kann.
    In Vach hatten mich die Handlanger des alten Landgrafen in Beschlag genommen und nach Ziegenhain und Kassel und von da nach Amerika geliefert. Jetzt sollen dergleichen Gewalttätigkeiten abgestellt sein. Doch möchte ich den fürstlichen Bekehrungen nicht zuviel trauen; sie sind nicht sicherer als die demagogischen. Es wäre unbegreiflich, wie der Landgraf seit langer Zeit so unerhört willkürlich, zum Verderben des Landes und einzig zum Vorteil seiner Kasse, mit seinen Leuten geschaltet und förmlich den Seelenverkäufer gemacht hat, wenn es nicht durch einen Blick ins Innere erklärt würde. Die Landstände wurden selten gefragt und konnten dann fast keine Stimme haben. Der Adel ist nicht reich und unabhängig vom Hofe. Die Minister und Generale hatten ihren Vorteil, dem Herrn zu Willen zu leben. Jeder hatte vom Hofe irgendetwas oder hoffte etwas oder fürchtete etwas, für sich oder seine Verwandten. Die großen Offiziere gewannen Geld und Ehre, die kleinen Unterstützung und Beförderung. Die übrigen litten den Schlag. Das Volk selbst ist bis zum Übermaß treu und brav. Hier und da war Verzweiflung; aber der alte Kriegsgeist half. Die Hessen glauben, wo geschlagen wird, müssen sie dabei sein. Das ist ihr Charakter aus dem tiefsten Altertum. Ich erinnere mich, in einem Klassiker gelesen zu haben, daß die Katten lange vor Christi Geburt als Hilfstruppen unter den Römern in Afrika schlugen. Jetzt hat der Landgraf, wie versichert wird, die fremden Verbindungen dieser Art aufgegeben.
    Von Vach wollte ich Post nach Schmalkalden zu meinem Freunde Münchhausen nehmen. Der Wirt verpflichtete sich, da nicht sogleich Postpferde zu haben waren, mich hinüberzuschaffen, ließ sich die Posttaxe für zwei Pferde und den Wagen bezahlen und gab mir einen alten Gaul zum Reiten. Das nenne ich Industrie. Was wollte ich machen? Ich setzte mich auf, weil ich fort wollte. Doch kam ich zu spät an. Es war schon tief Nacht, als ich den Berg hineinritt, und gegen zehn Uhr war ich erst in dem Tale der
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