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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen
Autoren: Alison Barnard
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günstige Gelegenheit, den der Anlass bot. Pressevertreter aus jedem Land, in dem es eine Filmbranche gab, waren zugegen. Die Preisverleihung wurde live im kanadischen Fernsehen übertragen, und die wichtigsten Momente würden in Nachrichten- und Unterhaltungssendungen auf der ganzen Welt gezeigt werden.
    Ein Gefühl der Ruhe legte sich über sie, und sie begann zu lächeln. »Danke, dass Sie für mich gestimmt haben – obwohl ich sicher bin, dass diese Ehrung mehr mit dem hervorragenden Drehbuch, der Regie, der Kameraführung und dem Bühnenbild von Maestra zu tun hat, als mit dem, was ich beigesteuert habe«, sagte sie, wobei nur die Heiserkeit ihrer Stimme und der ausgeprägte irische Akzent auf ihren emotionalen Zustand deuteten, während sie die Zuschauer elegant an die anderen Kategorien erinnerte, in denen der Film nominiert war. »Nichtsdestoweniger bin ich dankbar für diese Auszeichnung, und noch dankbarer, dass ich die Gelegenheit hatte, an diesem Film mitzuarbeiten. Besonders dankbar allerdings bin ich dafür, dass ich bei den Recherchen für meine Rolle die Gelegenheit hatte, die Person, um die es in diesem Film geht, Jessa Hanson, kennenzulernen und . . . mich in sie zu verlieben.«
    Alle Anwesenden schienen gleichzeitig nach Luft zu schnappen, und aufgeregtes Tuscheln erklang. Dies war ein Paukenschlag, wie er größer nicht hätte sein können.
    Shara schaute direkt in die Kamera. »Die Dinge haben sich zwar nicht ganz so entwickelt, wie ich es gern gehabt hätte, aber, meine Liebe, dies hier ist für dich.« Sie hob die Tafel hoch. »Von den Dächern.«

Kapitel 35
    S hara zitterte, als der Sicherheitsbeamte sie durch die Hintertür der Roy Thomson Hall führte, wo Tony mit dem Wagen auf sie wartete. Sie fühlte sich fix und fertig, bereute aber nichts.
    Die spontane Pressekonferenz im Anschluss an die Preisverleihung hatte gut zwanzig Minuten gedauert. Sie hatte die Beantwortung aller Fragen zu Jessa abgelehnt, außer denen, wo und wie sie sich kennengerlernt hatten, sich aber in der Beschreibung ihrer Gefühle zurückgehalten. Sie hatte sich bemüht, aufrichtig und sachlich zu sein, obwohl es ihr gegen den Strich gegangen war und sie instinktiv lieber alles für sich behalten hätte.
    Sie hatte erklärt, dass es keine Geschichte gab – sie hätte sich ganz einfach in Jessa verliebt, sie beide seien jedoch getrennter Wege gegangen –, und gehofft, so ihre Familie, Freunde und Bekannten vor neugierigen Reportern zu bewahren.
    Als in die Fragen nach der Art ihrer Beziehung Umschreibungen für Sex gesickert waren, hatte sie bestimmt und wiederholt erwidert: »Jessa und ich sind die besten Freunde, und ich hoffe, dass wir immer befreundet bleiben.«
    »Nun, Frau Quinn, auf zum Empfang im Four Seasons?« fragte Tony, als sie es sich in den Sitzpolstern bequem gemacht hatte.
    Shara seufzte. »Ich glaube schon. Nachdem ich der Presse erlaubt habe, mich ins Kreuzverhör zu nehmen, sollte ich meinen Kollegen wohl die gleiche Chance geben. Kaum zu glauben, dass meine große Bekanntmachung erst zwei Stunden her ist. Mein Leben kommt mir vollkommen verändert vor.«
    »Das kommt daher, dass sich die Leute, mit denen Sie seitdem geredet haben, alle nur für ein einziges Thema in ihrem Leben interessieren. Sobald sie sich wieder unter ihre Freunde begeben, wird alles wieder normal sein. Schade, dass die Läden schon geschlossen sind, sonst würde ich mit Ihnen Schuhe kaufen gehen, damit Sie sich wieder besser fühlen.«
    Shara lächelte. Es war gut, in der Gesellschaft eines Menschen zu sein, der nicht fand, dass sie jemand anderes war, nur weil sie in Jessa verliebt war, auch wenn er weiterhin auf das formale ›Frau Quinn‹ bestand, wenn er bei der Arbeit war.
    Hinter der Bühne der Roy Thomson Hall hatte sie sich so gefühlt, als würden alle Männer sie mit den Augen ausziehen und dann in Gedanken zusammen mit einer anderen Frau ihre Sexphantasien ausleben lassen. Sie konnte sich nicht entscheiden, was sie mehr beunruhigen würde: dass sie recht haben könnte und alle Männer tatsächlich so lüstern waren, oder dass sie sich in ihrer ersten Stunde als bekennende Lesbe in eine Irre mit Verfolgungswahn verwandelt hatte.
    Der Wagen bog nach links auf die University Avenue ab und hielt sich nach Norden, aufs Four Seasons Hotel zu. Sie fuhren an der neuen Oper und den zahlreichen Krankenhäusern vorbei zum Queen’s Park mit dem in Flutlicht getauchten Parlamentsgebäude von Ontario. Als sie an einer
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