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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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typischen Tagesablauf?«
    »Wenn ich auf jemanden warte, nutze ich die Zeit lieber für meine Übungen, statt rumzusitzen und aus dem Fenster zu schauen. Mein Körper ist meine Stärke, wissen Sie. Ich muß ihn in Schuß halten.« Sie glättet ihren langen Pullover, so daß er sich an ihre schlanken Hüften schmiegt, und wirft sich dann eine Patchworkjacke über, die dem Ganzen einen Hauch Farbe verleiht. In dem Moment klingelt das Telefon. Als sie den Flur entlangläuft, weist sie mich an, es mir gemütlich zu machen.
    Ich nutze ihr Verschwinden, um die Gegenstände zu betrachten, die ihr Haus füllen. Nahe der Tür hängt ein impressionistisches Aquarell einer Frau mit Kapuze, die eine Art Göttin zu sein scheint. Auf einer Inschrift unten am Rand ist zu lesen:
     
    Ich habe diese Grand-Bead-Schamanin für dich gemalt, Joan. Schamanen sind Heiler, Seher und Visionäre, die mit der Welt der Götter und Geister in Verbindung stehen. Ihre Körper bleiben zurück, während sie zu überirdischen Gefilden fliegen. Sie sind Dichter und Sänger, Tänzer und Künstler... spirituelle Führer und Quellen des Wissens, besondere heilige Geschöpfe und Meister der Ekstase. Tief empfundenen Dank für dein neuestes Buch,
The Universal Bead
, und seinen unglaublichen Inhalt.
    Duetty
     
    |27| Ihr neuestes Buch! Wer ist diese Joan Erikson überhaupt, und wie viele Bücher hat sie geschrieben? Ich spüre, wie meine Beklemmung wächst, während ich mich frage, was sie von einer Freundschaft mit jemandem erwartet, der im Moment langweilig und unproduktiv ist. Ich bemerke ein hübsches, vergrößertes Foto von spielenden Kindern in Afrika. Vielleicht war sie in Afrika, genau wie ich. Das würde uns etwas Gemeinsames geben. Die einzige andere lebhafte Farbe im Raum stammt von einem großen Wandbehang mit einer indischen Göttin.
    Ihre persönlichen Sachen scheinen ein hier und im Ausland verbrachtes Leben widerzuspiegeln, während die Kunstwerke und handwerklichen Arbeiten auf jemanden mit gutem Geschmack und einem Blick für Design schließen lassen. Am faszinierendsten finde ich eine Filztafel, an die sie zahllose Schwarzweißfotos gepinnt hat. Alle möglichen Gruppierungen, meist von denselben Menschen in verschiedenen Alters- und Lebensstadien, offenbar Familienmitglieder, am Strand, in einer Stadt, um einen Eßtisch versammelt. Joan und ein gutaussehender Mann sind auf vielen zu sehen. Fast immer halten sie sich an der Hand, fällt mir auf.
    Ich gehe auf den Klang ihrer Stimme zu, an einem kleinen Zimmer mit einem Einzelbett, einem antiken Schreibtisch und Stuhl vorbei, durch die Küche, in der auf offenen Borden Töpferwaren, Bienenwachskerzen und mundgeblasene Gläser stehen, und schließlich ins Wohnzimmer, wo Joan auf einem Sessel sitzt, die Beine auf einem Hocker, den Kopf gegen ein Kissen gelehnt, und fröhlich plappert wie ein Teenager.
    Dieses Zimmer scheint sie zu charakterisieren. Aus einer Ecke, zum Sonnenlicht hin ausgerichtet, das durch das Panoramafenster einfallen kann, ragt das Hauptstück hervor – ein großer, rustikaler Tisch, den sie als Schreibtisch benutzt. Er ist voller Papierstapel, wohl ein Projekt, an dem sie arbeitet, nicht nur Rechnungen und Korrespondenz. An der Wand direkt hinter dem Schreibtisch bemerke ich das Titelblatt einer Ausgabe |28| von
Time
und trete näher, um es zu betrachten. Derselbe distinguierte Mann von den Familienfotos ist auf dem Titelblatt! Erik Erikson, lautet die Unterschrift. Ich erinnere mich an seinen Namen aus den Psychologiekursen, die ich belegt hatte – er gehört in dieselbe Kategorie wie Jung und Freud! Er ist der Psychoanalytiker, dessen »Stadien menschlicher Entwicklung« das gesamte Gebiet der modernen Psychologie beeinflußt haben.
    Ich schaue zurück zu Joan und achte genauer auf ihr fröhliches Geplauder, versuche daraus Aufschluß über sie zu erhalten. »Natürlich, Liebes, ich wäre entzückt... es wäre mir ein Vergnügen... Danke, daß du mir ein Auto schicken willst... das wird es einfacher machen. Bis dann... Wiedersehen...« Joan und Erik Erikson leben im alten kleinen Harwich! Erstaunlich, aber möglich, entscheide ich, während ich rasch die fünfunddreißig Jahre oder so nachrechne, die seit dem Titelbild von
Time
vergangen sind. Ich sinke auf den einzigen anderen Stuhl im Zimmer, einen Drehstuhl neben ihrem Schreibtisch, und drehe mich hin und her, denke daran, wie fasziniert ich immer von Eriksons Lebenszyklus-Theorien war. In seinem größten
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