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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti
Autoren: Angela Troni
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Zeitverträgen über Wasser hielten. Jedes Mal mussten sie sich in den Sommerferien aufs Neue um einen Job bewerben, und es war keineswegs garantiert, dass sie danach noch in derselben Schule unterrichteten wie im vergangenen Jahr. Im Extremfall wurden sie an eine Lehranstalt beordert, die mehrere Hundert Kilometer von ihrem Wohnort entfernt lag, und mussten pendeln oder umziehen, wenn sie nicht zu Hause sitzen und Löcher in die Luft starren wollten. Ehrlich gesagt, rechnete ich mir da nur wenig Chancen aus, und selbst babbo , dessen Vitamin B locker für einen mittelschweren Vitaminschock gereicht hätte, war bisher machtlos – was ihn nicht davon abhielt, ständig neue Bekannte aus dem Hut zu zaubern, die er um einen Gefallen bitten wollte. Davon abgesehen, wollte ich es allein schaffen, und zwar auf legalem Weg. Schmiergeld zu zahlen, für viele die letzte, für manche gar die erste Option, kam nämlich weder für mich noch für irgendwen sonst in unserer Familie in Frage.
    »Wir wollten eigentlich über deinen Otto reden«, holte meine nonna mich aus meinen Gedanken zurück. »Auf den Fotos sieht er so nett aus. Ich würde den jungen Mann wirklich gerne kennenlernen. Wann kommt er denn jetzt endlich mal zu Besuch?«
    Die Bilder aus München hatte ich nur ihr und Vale gezeigt, mein Vater oder gar die beiden Kröten hatten sie nie zu Gesicht bekommen, und das war auch gut so.
    »Oder hast du ihm zu viel von unserer Familie erzählt, und nun traut der arme Kerl sich nicht her?«, hakte sie nach.
    »Er ist nicht mein Otto«, sagte ich bloß.
    »Na, wessen Otto denn sonst? Ich hätte ihn auch gerne mal kennengelernt, den deutschen Wunderknaben, aber er lässt sich ja nicht bei uns blicken«, sagte babbo hinter mir, und ich fuhr herum.
    Wie immer kam er um fünf Minuten vor acht in die Küche und schaltete den Fernseher ein. Wenn er beim Abendessen nicht sein geliebtes Telegiornale , die Nachrichten, auf Rai 1 schauen konnte, war ihm der ganze Tag verdorben.
    In Italien gehört zu jeder anständigen Küche auch ein Fernseher – und sei er noch so klein. Eigentlich seltsam, dass die Möbelhersteller die Dinger nicht längst in ihr Geräteprogramm aufgenommen haben, genau wie Herd, Kühlschrank und Spülmaschine. Wenn sich zu den Mahlzeiten die Familie in der Küche versammelt, wird selbstverständlich nebenbei geguckt, was die lebhaften Tischgespräche jedoch in keiner Weise negativ beeinflusst. Italiener sind in der Beziehung durchaus multitaskingfähig.
    Meine Laune dagegen wurde durch babbos Bemerkung sehr wohl negativ beeinflusst. »Lass mich doch einfach in Ruhe«, gab ich zurück und stürmte aus der Küche. Offenbar war das mein neuer Standardspruch.
    »Bitte sag Laura und Paola Bescheid, das Essen ist gleich fertig«, rief mir nonna hinterher. Damit war unsere Unterhaltung über Otto ein für alle Mal unmöglich, worüber ich nicht besonders traurig war.
    Ich muss den Kerl endlich aus meinen Gedanken verbannen, dachte ich auf dem Weg zum Zimmer meiner Schwestern, so schwer es mir fällt. Es ist sinnlos. Der Gedanke, ihn wiederzusehen, war ein schöner Traum. Aber eben leider nur ein Traum.

2.
    Manchmal werden Träume eben doch wahr. Sogar meine.
    Mein linkes Knie zuckte vor Aufregung, während ich die Hände in den Taschen meiner Jeans vergraben hatte, um ja nicht auf den Gedanken zu kommen, an den Nägeln zu kauen. Ich hatte den halben Vormittag damit verbracht, sie zu feilen und zu lackieren, und auch sonst hatte ich das Bad eine ganze Weile blockiert. Schließlich wollte ich so schön wie möglich aussehen.
    Gleich war er da, der große Moment, auf den ich ein Dreivierteljahr gewartet hatte, doch statt vor Freude auszurasten und Luftsprünge zu machen, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Der Grund dafür war nicht etwa Otto, dem ich in einer knappen halben Stunde tatsächlich gegenüberstehen würde, sondern meine versammelte Familie. Die hatte es sich nämlich nicht nehmen lassen, mich zum Flughafen zu begleiten. Und das entsprach so gar nicht meinem Plan.
    Der hatte ursprünglich sehr romantisch ausgesehen: Otto und ich in einer innigen Umarmung in der Ankunftshalle, wo wir eine halbe Ewigkeit eng umschlungen dastehen und uns gar nicht mehr voneinander lösen wollen … ohne neugierige Zuschauer, versteht sich.
    Über mangelndes Publikum konnte ich mich heute wahrlich nicht beklagen, denn neben meinen Eltern, den Zwillingen und nonna hatte sich uns spontan auch noch zia Marisa
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