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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti
Autoren: Angela Troni
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ausgeschlossen war, hätte er zumindest seinen Vorteil aus der Situation gezogen und wäre nicht in seinem Porsche Cayenne zu seiner ahnungslosen Ehefrau abgedüst. Aber Ben war passé. Ganz im Gegensatz zu Otto.
    Daher war es mir auch jetzt nicht peinlich, ihr meinen Kummer anzuvertrauen. Normalerweise wandte ich mich mit so etwas an Vale, aber auf die konnte ich momentan nicht zählen. Jetzt brach alles aus mir heraus, und ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
    »Ach, nonna , ich bin soooo unglücklich. Wäre ich doch bloß nie nach Deutschland gegangen. Irgendwie ist alles anders, seit ich wieder da bin. Und nichts läuft.«
    »Na, na, na«, widersprach sie mir in ihrer typisch sanften Art, während sie den Tisch deckte. »Du hast immerhin ein super Examen hingelegt und sprichst inzwischen perfekt Deutsch. Dir steht die Welt offen.«
    »Schön wär’s«, sagte ich und nahm ihr die Teller aus der Hand, um sie mit Schwung auf den Tisch zu knallen. »Aber da irrst du dich. Ich habe mich bei gefühlten tausend Schulen beworben und an x concorsi teilgenommen, und bisher ist das Ergebnis bei diesen blöden Ausschreibungen gleich null. Ich bin Nummer einhundertachtundsiebzig auf der Warteliste. Weißt du, was das bedeutet? Wenn ich Glück habe, bekomme ich eine Stelle als Lehrerin, kurz bevor ich in Rente gehe.«
    »Wie kann das sein? Laufen diese Wettbewerbe denn nicht fair ab? Du bist doch bestens qualifiziert!« Meine geliebte nonna schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Leider hatte sie in der Beziehung tatsächlich nicht besonders viel Ahnung von der modernen Welt.
    »Was weiß denn ich! Am besten, ich packe meine Sachen und wandere aus«, sagte ich.
    »Aber, Kindchen, das ist doch auch keine Lösung.«
    »Pah, ihr habt alle gut reden, aber ich bekomme es sicher irgendwie hin. Ich habe schon ganz andere Dinge geschafft. Notfalls gehe ich wirklich ins Ausland.« Um meine Worte zu unterstreichen, streckte ich die rechte Hand mit einem Ruck aus und hätte meine Oma fast mit dem Bündel an Messern und Gabeln erwischt, das ich aus dem Plastikkorb auf der Spüle genommen hatte.
    Die Messer waren übersät mit Kalkflecken, die ich mit einem Küchentuch wegpolierte, ehe ich sie akkurat neben den Gabeln an der Tischkante ausrichtete. Nonna warf mir einen vielsagenden Blick zu. Sie musste nicht mal den Mund aufmachen, denn ich wusste selbst, dass mir so etwas früher überhaupt nicht aufgefallen wäre. In Deutschland war eben so manches anders als in Italien – und vieles besser. Das hätte ich in Gegenwart meines Vaters natürlich niemals laut auszusprechen gewagt, auch wenn es nicht zu leugnen war. Im Gegensatz zu ihm hatte ich am eigenen Leib erfahren, wie groß die Unterschiede waren. Sosehr sich die Menschen in Italien auch über den Fleiß, die Sparsamkeit, den Ehrgeiz und die Korrektheit der Deutschen lustig machten, eines konnte ich nun nicht mehr leugnen: Nördlich der Alpen war vieles besser geregelt und dadurch schlicht und ergreifend leichter.
    Auch hierzulande hatte sich seit Berlusconis Abgang so manches verändert, nur leider hatte sich die Situation dadurch nicht gerade vorteilhaft entwickelt, vor allem nicht für junge, arbeitssuchende Menschen wie mich. Zwar war der neue Regierungspräsident Monti gleich zu Beginn mit Elan und Mut viele Probleme angegangen und hatte auch gut durchgegriffen, aber die Reformen schlugen eben nicht sofort an, und die Situation auf dem Arbeitsmarkt war nach wie vor desaströs.
    Zweimal schon hatte ich eine vorläufige Zusage für eine Stelle als Deutsch- und Italienischlehrerin gehabt, doch am Ende fand ich wieder eine Ablehnung im Briefkasten. Das frustrierte auf Dauer, abgesehen davon wollte ich meinen Eltern nicht noch länger auf der Tasche liegen. Nach meiner Rückkehr aus Bayern hatte ich noch ein paar Wochen in einer Tabaccheria gearbeitet, weil eine Bekannte meiner Mutter sich den Fuß gebrochen hatte und für den Rest der Saison ausfiel. Jetzt im Winter brauchte der Besitzer jedoch niemanden, sondern stand selbst die paar Stunden im Laden. Meine Ersparnisse waren ganz schön zusammengeschrumpft, und ich war froh, dass ich bei meinen Eltern ein Dach über dem Kopf hatte, auch wenn ich nur zu gerne unabhängig gewesen wäre.
    Die Aussichten waren also alles andere als rosig. Ich kannte einige gestandene Lehrer mit mehreren Jahren Berufserfahrung und keineswegs schlechten Referenzen, die sich seit einer gefühlten Ewigkeit von Schuljahr zu Schuljahr mit
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