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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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Newtons Betreuung beauftragt, bevor ihre Proben genommen wurden, und sie war so aufgewühlt, dass sie meinen Arm gepackt und ihre Fingernägel hineingebohrt hat. So ist meine DNA an die dritte Fingernagelprobe gekommen.«
    Manning riss ungläubig die Augen auf. »Du meinst, sie sind mir auf die Spur gekommen, obwohl sie gar nicht meine DNA hatten?«

Mittwoch, 2. September 2009 – 19.25 Uhr
    Elias Claymore hielt auf dem Parkplatz an der Golden Gate Bridge und sprang aus dem Auto, ohne darauf zu achten, ob er gerade in der Parklücke stand. Das war seine geringste Sorge.
    Er sah sich um und drehte ein paar Runden über den Parkplatz. Dann entdeckte er ihn: einen roten Ford Mustang. War das wirklich Andis Auto oder nur das gleiche Modell? Es war jedenfalls der einzige Ford Mustang auf dem Parkplatz. Er spähte durchs Autofenster, bemerkte aber keine Anzeichen dafür, dass der Wagen Andi gehörte. Es gab allerdings auch nichts, was dagegen sprach.
    Es muss ihr Auto sein , sagte er sich.
    Aber wo war sie jetzt? Und wann war sie auf dem Parkplatz eingetroffen? Zur Brücke war es ein längerer Fußmarsch, und als er sie zuletzt gesehen hatte, war sie für so etwas nicht gerade angemessen gekleidet gewesen.
    Hatte er überhaupt noch eine Chance, rechtzeitig zu ihr zu gelangen?
    Wenigstens konnte es auf der Brücke in den letzten Stunden keine Vorfälle gegeben haben, weil sonst die ganze Gegend in Aufruhr gewesen wäre und überall glotzende Passanten herumgestanden hätten.
    Er drehte sich zur Bay um. Rechts von ihm stand die Sonne schon tief am Himmel, aber sie war noch nicht ganz hinterm Horizont verschwunden.
    Vielleicht war sie genau wie er von der Straßensperrung am Embarcadero aufgehalten worden. Vielleicht hatte sie das Auto ja gerade erst abgestellt.
    Er musste es herausfinden.
    Keuchend rannte er die Rampe zur Brücke hinauf. Er hatte zwar keine Speckrollen am Bauch wie andere Männer in seinem Alter, aber er war auch nicht mehr der Jüngste und spürte die Anstrengung in Lunge, Herz und Oberschenkeln.
    Auf dem Fußweg angekommen blieb er japsend stehen und krümmte sich, weil er Seitenstechen hatte. Als er sich wieder aufrichtete, sah er Andi torkelnd vor sich in der Ferne verschwinden und wusste nicht, ob er darüber erleichtert oder besorgt sein sollte.
    Er wollte ihr hinterherrennen, aber seine Beine machten nicht mehr mit.

Mittwoch, 2. September 2009 – 19.30 Uhr
    »Sieht ganz so aus«, erklärte Gene. »Vielleicht hättest du gar nicht fliehen müssen, sondern es einfach aussitzen können.«
    »Nein, die hatten mich doch auch für die versuchte Vergewaltigung verhaftet …« Er drehte sich halb zu der völlig verängstigten jungen Frau auf dem Bett um. »Aber wenn die letzte DNA-Probe von dir war – und du das auch wusstest –, wie bist du dann auf mich gekommen?«
    »Mir haben die vielen Zufälle zu denken gegeben. Schon die Tatsache, dass Bethel auf dem Foto im Krisenzentrum den jungen Elias Claymore identifiziert hat, war interessant. Dass der Vergewaltiger nicht Claymore sein konnte, wusste ich, dafür war er zu alt. Aber es musste einen Grund geben für die Verwechslung, eine Ursache. Und das konnte nur der Sohn sein, den ich zur Adoption freigegeben hatte – der Sohn, von dem Claymore nie erfahren hat. Dadurch ließ sich auch die Übereinstimmung der Y-DNA erklären. Plötzlich ließ sich das alles erklären.«
    »Jetzt wissen wir also beide Bescheid. Was ist mit meinem Vater? Weiß er es auch?«
    »Ich habe es ihm nicht erzählt.«
    »Warum nicht?«
    »Ich wollte dich erst mit eigenen Augen sehen. Mit dir sprechen.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Und, entspreche ich deiner Erwartung?«
    »Als ich dich abgegeben habe, hatte ich überhaupt keine Erwartungen mehr an dich. Ich habe nur an mich selbst gedacht.«
    »Wenigstens bist du keine Heuchlerin. Und was hältst du jetzt von mir?«
    »Na ja, ich weiß, dass du Bethel vergewaltigt hast … und auch versucht hast, Martine zu …«
    »Beim Versuch wird es nicht bleiben«, unterbrach er sie leise. Aus seinem ruhigen, beiläufigen Tonfall sprach nichts als Verachtung.
    »Hör zu, ich weiß, dass ich dir Unrecht getan habe. Ich könnte Ausflüchte machen und sagen, dass ich dich weggegeben habe, weil dein Vater mich vergewaltigt hat. Das ändert jedoch nichts an meiner Schuld. Aber Martine kann nichts dafür. Sie hat sich nur verteidigt, als du …«
    »Du kapierst es anscheinend nicht. Was Claymore getan hat, liegt in seiner Natur, in seinen
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