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Sozialdemokratische Zukunftsbilder

Sozialdemokratische Zukunftsbilder

Titel: Sozialdemokratische Zukunftsbilder
Autoren: Eugen Richter
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Nachfrage, welches auch gegenwärtig noch ebenso die Produktion erschwert, wie die Konsumtion verteuert. Die Gesellschaft produziert beispielsweise Lebensmittel, Hausgeräte, Kleidungsstücke, aber die Nachfrage richtet sich in eigensinniger Laune — nennen wir es nun Geschmack, Mode oder wie sonst — (Abgeordnete Frau Reichskanzler: Ob, oh! — Der Reichskanzler hält inne und sucht durch ein Glas Wasser seiner sichtlichen Erregung über den Zwischenlaut Herr zu werden). Ich sage, die launische Mode richtet sich jetzt nur zu oft nicht auf die bereits produzierten Artikel dieser Art, sondern gerade auf solche, welche bis dahin wenig oder gar nicht produziert worden sind. Die von der Gesellschaft angebotenen Vorräte werden in Folge mangelhaften Absatzes Ladenhüter, verderben, kurzum erfüllen nicht ihren Zweck, nur weil es den Herren und Damen X. Y. Z. anders gefällt. Oder ist es etwa gerechtfertigt, den individualistischen Neigungen dieser Personen darin nachzugeben, dass man ihnen verschiedene Waren für denselben Zweck der Ernährung, Wohnung und Bekleidung zur Verfügung stellt, damit Herr und Frau X sich anders nähren, wohnen und kleiden können, als Herr und Frau Y. ? Welche Verwohlfeilerung der Produktion lässt sich dagegen erzielen, wenn stattdessen die Produktion sich auf wenige oder am besten auf einen einzigen Gebrauchsgegenstand für jeden besonderen Zweck beschränkt! Jeder Verlust durch Mangel an Absatz würde vermieden werden, wenn von vornherein feststeht, dass die Herren und Damen X. Y. Z. sich in der vom Staat vorgeschriebenen Weise zu ernähren, zu kleiden und auszustatten haben.
    Darum, meine Dame und meine Herren, wird Ihnen die Regierung zunächst vorschlagen, bei der Ernährung dieselbe Regelung auch für das Frühstück und die Abendmahlzeit einzuführen, welche von Anfang an für die Mittagsmahlzeiten schon Platz gegriffen hat Ebenso wird es die soziale Gleichheit fördern, wenn wir nunmehr auch den Hausrat in Bezug auf alle zu demselben notwendigen Gegenstände, wie Betten, Tische, Stühle, Schränke, Bettwäsche und dergleichen verstaatlichen. Indem wir derart jede Wohnung mit einem dem Staat gehörenden und also in derselben verbleibenden Ausstattung versetzen, werden diejenigen Müden und Verluste vermieden, welche gegenwärtig durch den Umzug der Bewohner entstehen. Nunmehr wird es auch erst möglich, dem Grundsatz der sozialen Gleichheit bei den Wohnungen trotz der verschiedenen Lage derselben dadurch näher zu kommen, dass die Verlosung aller Wohnungen künftig von Vierteljahr zu Vierteljahr erneuert wird. Die Möglichkeit, eine Wohnung in der Belletage nach der Straße zu erlangen, erwächst auf diese Weise für Jedermann mit jedem Quartal aufs Neue (Heiterkeit links. Vereinzelter Beifall rechts. )
    Ebenso sollen künftig für Jedermann nach Stoff, Farbe und Schnitt im Voraus genau bestimmte Kleidungsstücke hergestellt und mit genau vorgeschriebener Tragezeit verabfolgt werden. (Abgeordnete Frau Reichskanzler: Niemals, niemals! Äußerungen des Widerspruchs auch bei den auf den Tribünen anwesenden Damen. )
    Präsident: Es ist nicht gestattet, von den Tribünen Zeichen des Beifalls oder Missfallens zu geben.
    Reichskanzler fortfahrend: Ich bitte mich nicht misszuverstehen. Die Gleichheit der Kleidung soll nicht so weit gehen, alle Verschiedenheiten auszuschließen Im Gegenteil wollen wir sogar verschiedene Abzeichen vorschlagen, um die Damen und Herren der verschieden Provinzen, Orte, Berufskreise u. s w. äußerlich erkennbar zu machen. Dadurch wird auch die Übersicht und Aufsicht über die einzelnen Personen für die Kontrollbeamten des Staates ganz außerordentlich erleichtert werden. (Hört, hört! Links). Infolge dessen braucht die Vermehrung der Aufsichtsbeamten, künftig je Einer auf 80 statt bisher auf 60 Personen, nicht so groß zu werden, wie es sonst der Fall sein würde, um in unserm Staat, der in Wahrheit alsdann ein Ordnungsstaat sonders Gleichen sein wird, (Ruf links: Zwangsstaat. Der Präsident klingelt und bittet um Ruhe), die strenge Befolgung aller Gesetze und Verordnungen zu sichern, welche nunmehr in Bezug auf die Morgen- und Abendmahlzeiten, die Kleidung und Wohnung erforderlich werden.
    Dies unser Programm! Sind Sie damit einverstanden, so hoffen wir durch energische Ausführung desselben nicht nur alsbald das Defizit in unserem Volkshaushalt zu beseitigen, sondern auch unser Volk auf dem Boden der sozialen Gleichheit in dem Maße zum Wohlleben und zur
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