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Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
Autoren: Jochen Till
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gehen«, sagte sie besorgt. »Nei n … es geht schon«, sagte ich mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    Ich hatte Talent als Schauspieler. Für eine Rolle als verwundeter Soldat war ich jedenfalls prädestiniert.
    »Wie viel Uhr ist es?«, fragte ich.
    Ich trug keine Uhr. Nie. Ich war lieber zeitlos.
    »Viertel nach elf. Wieso?«
    »Ich muss um eins in Frankfurt sein. Bei meiner Oma.«
    »Soll ich dich zu deinem Auto bringen?«
    »Nein, es ist noch zu früh. Lass uns lieber was trinken gehen!«
    »Da vorne ist ein Café.«

fünf
    In dem Café setzten wir uns an einen Tisch im hintersten Eck. Ich konnte es nicht leiden, irgendwo mittendrin zu sitzen. Ohne eine Wand im Rücken kam ich mir immer beobachtet vor. Paranoia.
    Das Café sah aus wie jedes andere auch. Alle Cafébesitzer schienen ihre Einrichtung im selben Möbelhaus zu kaufen. Oder bei Eduscho. Vielleicht ließ man ihnen keine andere Wahl. Vielleicht gab es mittlerweile schon eine Cafémafia.
    Die Bedienung kam, um unsere Bestellung aufzunehmen. Sie starrte mich seltsam an. Ich bestellte ein Bier, aber es gab keines.
    »Das ist ein Café, keine Trinkhalle«, sagte sie.
    Wie schlau sie doch war. Die blöde Kuh.
    »Haben Sie irgendetwas anderes Alkoholisches?«, fragte ich sie.
    »Nur Whisky.«
    Kein Bier, aber Whisky. Auch gut. Besser als nichts.
    »Okay, dann hätte ich gerne einen Whisky. Auf Eis, bitte.«
    Kelly bestellte sich eine Cola und die Bedienung verschwand wieder. »Warum hat die mich eigentlich so seltsam angestarrt?«, fragte ich Kelly.
    »Geh mal auf die Toilette und guck in den Spiegel. Dann weißt du, warum.«
    Ich folgte ihrem Vorschlag und ging auf die Toilette. Gott, ich sah furchtbar aus. Und das lag nicht nur an dem unvorteilhaften Licht über dem Spiegel. Spiegel gehörten sowieso verboten. Sie waren so grausam. Immer zeigten sie einem die nackte Wahrheit. In meinem Fall war das ein blutverschmiertes Gesicht und eine geschwollene Nase. Mein T-Shirt war auch voller Blut. Coole Sache, eigentlich. Aber bei meiner Großmutter konnte ich so nicht aufkreuzen. Ich wusch mir das Gesicht und tastete vorsichtig meine Nase ab. Gebrochen schien sie nicht zu sein. Gott sei Dank. Wenigstens würde ich in Zukunft nicht so aussehen wie Sylvester Stallone.
    Ich ging wieder zurück zu Kelly.
    »Besser so?«, fragte ich.
    »Viel besser. Bis auf das T-Shirt.«
    »Ich hab noch eins im Auto, glaube ich.«
    »Sag mal, warum hast du dich eigentlich mit diesem Arsch geprügelt?«
    Endlich. Endlich fragte sie mich das. Ich dachte schon, sie würde nie mehr fragen. Aber ich durfte ihr nicht gleich die Wahrheit sagen. Das wäre zu angeberisch. Sie musste es aus mir herauslocken.
    »Ac h … es war eigentlich nichts.«
    »Nichts? Du hast dich für nichts so zusammenschlagen lassen?«
    »J a … nein. Er hat da ein paar Sachen gesagt, die nich t … nett waren.«
    »Was hat er denn gesagt? Hat er dich beleidigt? Du bist doch sonst nicht so empfindlich.«
    »E r … er hat nicht mich beleidigt.«
    »Sondern? Los, jetzt sag schon!«
    »Er hat lauter hässliche Sachen übe r … dich gesagt.«
    »Über mich? Was hat dieses Schwein über mich gesagt?«
    »Ich möchte es lieber nicht wiederholen. Du kennst ihn ja. Er sagt doch immer so schreckliche Sachen über Mädchen.«
    »Hat er mich wieder Schlampe genannt?«
    »Das und Schlimmeres.«
    »Dieses dumme Schwein!«
    Sie wurde richtig wütend. Sensationell. Sie nahm sogar einen tiefen Schluck von meinem Whisky. Ob sie es wohl noch sagen würde?
    »Du hast dich also sozusagen für mich geschlagen?«, sagte sie nach einer Weile.
    »Sozusagen, ja«, sagte ich und tat dabei so verlegen wie möglich.
    »David, du bist ein Schatz!«
    Bingo. Da war es. Sie hatte es wirklich gesagt. Ich musste diesen Satz unbedingt heimlich aufnehmen und eine Endloskassette damit bespielen. Ich war immer so glücklich, wenn sie das sagte.
    »Gehst du eigentlich auf die Party heute Abend?«, fragte sie.
    »Welche Party?«
    »Die Abiparty natürlich. Was denn sonst?«
    Natürlich. Die Abiparty. Immer fanden sie einen Grund, um eine beschissene Party zu feiern. Geburtstagspartys. Abschiedspartys. Faschingspartys. Alles dasselbe. Meistens waren es Jungs, die solche Partys veranstalteten. Anders würden sie nämlich nie ein Mädchen dazu bringen, ihr Haus zu betreten. Am schlimmsten waren die sogenannten Partyspiele. Damals in der Siebten fand ich das ja auch noch ganz lustig. Flaschen drehen. Mein erster richtiger Kuss. Gott, wie sich dieses Mädchen vor
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