Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
Autoren: Jochen Till
Vom Netzwerk:
in Sicherheit gebracht. Diese Memmen.
    Ich setzte mich auf eine andere Bank etwas abseits. Warten, warten, warten. Diesmal auf Kelly. Wir waren nicht fest verabredet oder so. Trotzdem wartete ich auf sie. Irgendwann musste sie auftauchen. Ihre mündliche Physikprüfung hatte sie zwar schon am Tag zuvor hinter sich gebracht, aber sie wollte trotzdem vielleicht vorbeikommen. Nur wegen mir.
    Wo blieb sie nur? Hoffentlich war ihr nichts passiert. Immer machte ich mir bescheuerte Sorgen, wenn jemand nicht auftauchte. Vielleicht war sie tot. Verunglückt. Oder sie war entführt worden? Eine Schießerei! Eine verdammte Schießerei, das war es. Ein Amokläufer hatte sie brutal niedergestreckt. Mit einer beschissenen Maschinenpistole. Scheißtechnik. Wenn ich mal einen abknallen sollte, dann nur mit einem Trommelrevolver. Automatische Waffen sind wie Fast Food. Ein kurzer Spaß, aber keine Befriedigung.
    Was würde ich nur auf Kellys Beerdigung anziehen? Würde ich überhaupt hingehen? Beerdigungen waren etwas Schreckliches. Nicht weil jemand gestorben war. Das Schreckliche daran waren die Lebenden. All die Heuchler und ihre verlogene Anteilnahme. Und diese beschissenen Kränze, die sie alle mitbrachten und auf das Grab legten. Sie riefen in hundert verschiedenen Gärtnereien an und verglichen die Preise.
    »Wie viel kostet ein Kranz bei Ihnen? … So viel? Und ein kleinerer? … Mit Trauerschleife? … Und wenn Sie einfach nur ›Lebe wohl‹ draufschreiben? … Nein, niemand Wichtiges. Niemand aus der Famili e … Ich melde mich wieder bei Ihnen. Schönen Tag noch!«
    Zum Kotzen. Bevor ich sterbe, lege ich testamentarisch genau fest, wen ich auf meiner Beerdigung sehen will und wen nicht. Viele werden es nicht sein, so viel steht fest.
    Arme Kelly. Was sollte ich nur ohne sie anfangen? Hoffentlich war sie schnell und schmerzlos gestorben. Bloß kein verdammter Bauchschuss. Das dauerte zu lange und war verflucht schmerzhaft. Jedenfalls sah es im Kino immer so aus.
    Die Traurigkeit wurde immer größer. Erst machte man mich gegen meinen Willen zu einem Scheißabiturienten, und dann ballerte irgendein durchgeknallter Vollidiot meine Kelly weg. Immer kam alles auf einmal.
    Ich wollte gerade aufstehen und gehen, als mir wieder mal jemand auf die Schulter klopfte.
    »Hey, Sunshine! Was ist los? Du siehst so gefrustet aus. Heute noch nicht gefickt, oder was?«
    Auch das noch. Hoffmann, dieser Wichser. Der hatte mir noch gefehlt. Ich kannte ihn schon seit der Grundschule, leider. Einer von der ganz üblen Sorte. Er nannte Mädchen Schlampen und schwanzloses Gesindel und so. Kann sich das jemand vorstellen? Er sagte es ihnen mitten ins Gesicht und die meisten wehrten sich noch nicht mal dagegen. Sie wurden bloß rot und fingen an zu kichern. Als ob er ihnen ein Kompliment gemacht hätte. Einmal hatte ihm ein Mädchen eine runtergehauen. Hätte sie ihm in die Eier getreten, wäre ich sofort in sie verliebt gewesen. Aber sie gab ihm nur eine Ohrfeige, und das noch nicht mal besonders fest. Wenn sie ihm doch wenigstens die Nase gebrochen hätte oder so. Er blutete nicht mal. Schade.
    »Hoffmann, verpiss dich!«, sagte ich, ohne ihn anzusehen.
    »Hey, Sunshine! Locker bleiben. Was’n los? Hat dich diese Kelly-Schlampe immer noch nicht draufgelassen, oder was?«
    »Vorsicht, Hoffmann.«
    »Was denn? Du wirst dich doch wohl nicht wegen dieser dummen Fotze aufregen, Sunshine. Locker bleiben. Die ist es nicht wert.«
    »Es reicht, Hoffmann!«
    »Was denn? Stimmt doch. Sie is’ ’ne dreckige Fotze!«
    Dieses gottverdammte Arschloch. Sie war gerade erst gestorben und er gab ihr diese schrecklichen Namen. Leider war er mit Reden und leeren Drohungen nicht zum Schweigen zu bringen. Solche Typen hatten zu schlagen gelernt, bevor sie allein aufs Klo gehen konnten. Er würde erst Ruhe geben, wenn er meine Faust im Gesicht spürte, und genau da lag mein Problem.
    Wie bringt man es fertig, jemanden ins Gesicht zu schlagen? Ich konnte es nicht. Noch nie. In den Magen, okay. Aber mitten ins Gesicht? Er konnte es, so viel war klar. Eine seiner leichtesten Übungen. Solche Typen dachten nicht groß nach, bevor sie zuschlugen. Womit auch?
    Ich startete einen letzten Versuch.
    »Mensch, Hoffmann! Tu mir doch einfach den Gefallen und lass mich in Ruhe! Halt einfach dein dummes Maul und verpiss dich, okay?«
    »Das könnte ich natürlich mache n … aber dann wäre Kelly trotzdem noch eine Schlampe.«
    Noch während ich zu meinem ersten Schlag ausholte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher