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Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
Autoren: Jochen Till
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rammte er mir seinen dicken, dummen Schädel voll auf die Nase. Scheiße, tat das weh! Im Kino sah es immer so lustig aus, wenn das passierte. Von wegen lustig. Der nächste Schlag traf mich im Magen und ich klappte zusammen. Zum Glück hatte ich gerade gekotzt. Ich lag am Boden und dieser Drecksack fing an auf mich einzutreten. Als ob ich schon tot wäre. Ich konnte nichts weiter tun, als meinen Kopf zu schützen und zu warten, bis es ihm langweilig wurde.
    »Aufhören!«, schrie jemand. »Lass ihn in Ruhe!«
    Kelly! Ich konnte sie nicht sehen mit den Händen vorm Gesicht, aber ich wusste sofort, dass sie es war. Gott, war ich froh ihre Stimme zu hören! Sie war am Leben!
    »Kelly! Sag diesem Idioten, er soll damit aufhören! Los, sag es ihm!«, schrie ich.
    Den Idioten hätte ich besser weggelassen.
    »Diese Schlampe soll dir helfen?«, sagte er und trat erneut zu.
    Für einen kurzen Augenblick nahm ich die Hände vom Gesicht. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Kelly ausholte und ihm voll in die Eier trat. Sie war so verdammt liebenswert. Hoffmann fiel zu Boden, die Hände im Schritt, nach Luft röchelnd. Vielleicht würde er es sich das nächste Mal überlegen, bevor er wieder Schlampe zu einem Mädchen sagte. Wahrscheinlich aber nicht.
    »Lass uns hier abhauen!«, sagte Kelly und half mir beim Aufstehen.
    Kelly, süße Kelly. Sie war nicht tot und sie hatte mir das Leben gerettet. Dieser verdammte Tag fing an besser zu werden.

vier
    »Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte ich, als das Schulgelände längst hinter uns lag.
    »Keine Ahnung«, sagte Kelly. »Ist das wichtig?«
    »Nein.«
    Nichts war wichtig. Außer Kelly, natürlich. Die ganze Zeit über stützte ich mich auf sie wie ein verwundeter Soldat. Ab und zu täuschte ich einen Schwächeanfall vor und tat so, als ob ich fast zusammenbrach. Dann schlang sie immer beide Arme um meine Brust, um mich festzuhalten. So nah war ich ihr nie zuvor gewesen. Sensationell. Einfach göttlich. Wie gut sie roch und wie weich sie war.
    Schade, dass ich nicht wirklich verwundet war. Meine Nase tat noch ein bisschen weh. Tolle Verwundung. Warum hatte dieser Idiot mir nicht ein Bein gebrochen? Dann hätte sie mich zu sich nach Hause gebracht und mein Bein mit einem alten Tennisschläger und einer Wäscheleine geschient und mich gesund gepflegt. Die Nächte über hätte sie neben meinem Bett gesessen und mein schlimmes Fieber mit kalten Umschlägen bekämpft. Und Hühnersuppe hätte sie mir gekocht und mich damit gefüttert. Oder sie wäre stattdessen nur mit mir ins Krankenhaus gefahren.
    Ich fühlte mich wie ein verdammter Ritter. Wie zu Königs Artus Zeiten hatte ich mich für die Ehre einer Dame geschlagen. Damals hätte ich allerdings von einer Lanze durchbohrt auf einer einsamen Lichtung mitten im Wald gelegen. Meine Dame hatte mich gerettet. Sie hatte dem bösen schwarzen Ritter ihre Streitaxt in die Lenden gerammt und er war bitterlich zugrunde gegangen. Recht so.
    Anderen wäre es bestimmt peinlich gewesen, die Hilfe eines Mädchens in Anspruch nehmen zu müssen. Mir nicht. Kein bisschen. Ich war verdammt stolz auf Kelly. Kein anderes Mädchen hätte so etwas Wunderbares für mich getan. Ich spielte mit dem Gedanken, sie dafür zu küssen. Richtig, auf den Mund. Es war immerhin schon ein halbes Jahr her, dass ich richtig geküsst hatte.
    Da war dieses Mädchen, Nathalie. Sie war total verschossen in mich. Weiß der Teufel, warum. Blaue Augen, braune Haare. Nichts Besonderes. Ständig versuchte sie mich zu küssen. Irgendwann ließ ich mich darauf ein. Warum auch nicht? Ich küsste für mein Leben gern und hatte so selten Gelegenheit dazu. Im Grunde wollte ich nur sehen, ob Kelly eifersüchtig wurde. Ich hatte so sehr darauf gehofft. Pustekuchen. Als ich Kelly von Nathalie erzählte, strahlte sie übers ganze Gesicht und gratulierte mir zu meinem guten Fang.
    »Das freut mich aber für dich!«, sagte sie. »Nathalie ist wirklich sehr nett.«
    Noch am selben Tag gab ich Nathalie den Laufpass. Ich weiß, ich bin ein Mistkerl. Aber ich kriegte immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein Mädchen küsste, in das ich nicht wirklich verliebt war. Ich fand es unfair. Schwerer Betrug. Jungs, die so etwas tun, gehörten eingesperrt. Zumindest müssten sie ein Jahr Kussverbot kriegen.
    Wie auch immer, ich küsste Kelly schließlich doch nicht. Einen weiteren Schwächeanfall konnte ich mir allerdings nicht verkneifen.
    »Vielleicht sollten wir doch lieber zu einem Arzt
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