Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Songkran

Songkran

Titel: Songkran
Autoren: Erik Matti
Vom Netzwerk:
lokalen Polizeibehörde von Lumphini, so dass die tradierte Rivalität zwischen den beiden Organisationen einem Miteinander gewichen war. Ein Arrangement, das sich für die Beteiligten auszahlte.
    „Ich höre jetzt“, sagte Mex. Das Handy ans Ohr haltend ging er den Innenkreis entlang, in dem hauptsächlich Touristen mit Kameras saßen.
    Zehn Kämpfe waren für die Nacht angemeldet. Die Boxer des siebten Kampfes betraten den Ring. Das thailändische Wettpublikum hinter der Absperrung applaudierte den Kämpfern. Die Betreuerteams in den Ringecken feuerten ihre Boxer frenetisch an.
    „Herr Polizeiinspektor, Mr. Wang möchte, dass Sie in die Khaosan kommen. Unauffällig und sofort natürlich! Ich treffe Sie dort. Verstanden?“
    Die hohe Stimme, die ihm übers Telefon zuflüsterte, erschauderte Mex auf ein Neues. An diese Tonhöhe konnte er sich nicht gewöhnen. 
    „Das Mädchen?“, fragte Mex zaghaft und spürte das scharfe Messer in seinem Ohrkanal.
    „Gut kombiniert, Herr Polizeiinspektor. In dieser Nacht wird der Fall aus der Welt geschafft.“
    Der Hagere beendete das Gespräch, bevor Mex erwidern konnte. Diese anmaßende Art, über ihn zu verfügen, machte Mex wütend. Der Hauptkampf des Abends stand noch aus. Und jetzt musste er diesem Psychopathen gefällig sein. Aber was konnte er dagegen tun? Mr. Wang den Gehorsam verweigern? Zu riskant im Moment! Und warum bestand Wang auf seiner Anwesenheit? Wenigstens gab ihm der gewaltsame Tod des Muskelpakets große Genugtuung.
    Die Flöten und Gongs des vierköpfigen Orchesters setzten ein und signalisierten den Zuschauern, dass das Wai Khru, die Ehrung des Lehrmeisters, begonnen hatte. Mex verstaute sein Handy in der Gürteltasche und blickte zu dem rituellen Tanz der Boxer, die eine eingeübte Choreografie im Ring aufführten. Mit einer geflochtenen Schnur als Kopfkranz und einem Reif am Oberarm kniete der Kämpfer der blauen Ecke, beugte seinen Oberkörper nach vorne und berührte mit den gefalteten Händen den Ringboden. Seine Respektsbekundung dauerte an, während der rote Boxer, ebenfalls mit Kopf- und Armschmuck bekleidet, zeitlupenhafte Tritte und Schläge ausführte. Die quälende Musik des Orchesters war für das Schauspiel im Ring taktgebend.
    Mex ballte die Fäuste zusammen. Die Zeit drängte und unbewaffnet wollte er dem Chinesen nicht entgegentreten. Bevor er den Hageren traf, musste er im Revier vorbeischauen. Seine Halbautomatik, eine Ruger der P-Serie, lag im Stahlschrank seines Büros. Falls er ein Alibi benötigte, schien ihm das Muay Thai Stadion der richtige Ort zu sein. Bei einem Verhör könne er behaupten, dass er wie jeden Samstag gezockt hätte. Wichtig war nun, dass seine Kollegen der Nachtschicht ihn nicht sehen durften, wenn er die Ruger holte.
    Zeitgleich mit dem Ende des Wai Khru wandte er seinen Blick vom Boxring ab und hastete den röhrenförmigen Gang entlang, der zum Hauptausgang Rama IV führte. Beim Verlassen des Stadions blieb Mex unbemerkt. Der wachhabende Militärpolizist an der Schleuse des Metalldetektors ließ sich von einer Gruppe junger Touristinnen ablenken. Verdeckt von den Frauenkörpern und mit zur Seite geneigtem Kopf schlüpfte Mex an der Schleuse vorbei ins Freie.
    Sein Dienstmotorrad war in einer Seitengasse geparkt. Wie so oft missachtete er die Straßenverkehrsordnung und steuerte die alte Honda gegen die Fahrtrichtung die vielbefahrene Rama IV hinauf, um dann nach rechts in die Wireless Road einzubiegen. Anstatt direkt vor dem Revier zu parken, verließ er die Hauptstraße nach zweihundert Metern und lenkte das Motorrad in eine unbeleuchtete Sackgasse, deren Breite gerade einem Kleinbus genügte. Langsam rollte die Honda den Weg entlang.
    Zwei junge Katzen mit verstümmelten Schwänzen waren die einzigen Zeugen in der Dunkelheit. Verängstigt beobachtete das Geschwisterpärchen, wie Mex sein Motorrad abstellte, über die einmeterfünfzig hohe Steinmauer kletterte und in den verwilderten Garten sprang. Ein schmaler Trampelpfad zwischen meterhohen Sträuchern, Bäumen und Unkraut führte zum rückwärtigen Zaun der Polizeiwache. Mex kannte die lockere Stelle im Draht, bog sie zur Seite und schlüpfte in den Hinterhof. So leise wie möglich stieg er über den dort liegenden Metallschrott und schlich zur verrosteten Hintertür.
    Der Generalschlüssel an seinem Schlüsselbund passte. Gefühlvoll öffnete er und schlich ins Innere des Kellers. Die Lampe des Mittelganges brannte und warf Licht in den großen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher