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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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… Tu doch einer was!«
    Das kühle Metall bohrte sich in ihm zwischen Magen und Eingeweide. Judith sah kurz in den dunklen Zuschauerraum, ehe sie mit dem Dolch eine kleine schnelle Zickzack-Bewegung machte. Johannes keuchte auf und krümmte sich zusammen.
    » Dies werde deine Scheide «, schluchzte sie. Tränen strömten über ihr Gesicht und sie rang nach Atem. Sie beugte sich über ihn und strich ihm die blonden Haare aus dem Gesicht. Ihre Finger zitterten. Das Messer steckte kalt in seinem Fleisch, bevor es eine unsinnige Hitze verbreitete. Der plötzliche Schmerz schwappte wie eine gewaltige rote Welle über ihn, ließ ihn sich überschlagen und riss ihn mit sich. In seinem Bauch saß ein Tier, das mit scharfen Zähnen an seinen Eingeweiden fraß: gemächlich, aber gnadenlos. Sein Wams wurde nass, warm, heiß und dann sehr schnell wieder kalt. Er versuchte, nach dem Messer in seinem Bauch zu tasten, doch ihm fehlte die Kraft dazu. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Seine Glieder gehorchten ihm nicht mehr.
    Das Publikum wurde unruhig. Raunen und Rufe drangen wie aus weiter Ferne zu ihm.
    »Judith …«, flüsterte er.
    Blutige Bläschen traten dabei auf seine Lippen. Sein Mund füllte sich mit einem widerlich süßen, metallischen Geschmack und er musste husten. Über sein Kinn rann es warm und klebrig. Es schmerzte noch mehr und er konnte sich nicht rühren. Nie wieder, das wusste er mit entsetzlicher Bestimmtheit. Er war in einem neuen, grausamen Gleichgewicht gefangen, in dem sein seelischer und der neue körperliche Schmerz sich die Waage hielten.
    Warum?!
    Sie legte wieder ihre Hände um seinen Kopf, weich und zärtlich. Als er mit letzter Kraft die Augen ganz öffnete, küsste sie ihn, kurz, hart und mit heißen Lippen, ehe sie flüsterte: »Du hast uns verraten. Ich habe alles gehört.«
    Mit einem Ruck zog sie das Messer aus seinem Bauch und Johannes stöhnte auf vor Schmerz. Das Tier fraß heftiger und gieriger an ihm als zuvor. Es soff seine Kraft aus und leckte sich sein Leben von den Lefzen. Judiths Kompromisslosigkeit tötete ihn. Alles, was er an ihr geliebt hatte, bedeutete nun sein Ende. Nein, ihr gemeinsames Ende. Die Worte seines Onkels pulsierten in ihm.
    Vor seinen Augen verschwand die Farbe und die Welt wurde grau.
    Judith hielt das Messer für alle sichtbar hoch. Blut und Eingeweide hingen an der Schneide.
    »Fasst sie! Tut etwas! Mörderin!«, rief seine Mutter und Johannes hörte Schritte auf die Bühne poltern.
    Judith sah kurz auf, dann sagte sie leise, aber klar und deutlich: »Sei verflucht, Johannes.«
    Er wollte abwehrend die Hand heben, doch er schien keine Hand mehr zu haben. Keine Hand, keine Beine und keinen Körper. Nichts, außer einem Herzen, das blutete. Obwohl sie gerade dort das Messer nicht hineingestoßen hatte.
    »Du willst uns alle zum Teufel schicken, Johannes. Ich verfluche dich auf alle Zeit, bis du dich selbst vergisst. Bis du dein Vergehen heute wiedergutmachst. Erst dann sollst du frei sein … Deine Strafe ist die Ewigkeit!« Ihre Stimme versagte.
    Um Johannes drehte sich die Bühne, das Theater, die ganze Welt. Der Schwindel war entsetzlich, doch ihm fehlte die Kraft, die wirbelnden Bilder anzuhalten. Es war wie ein Strudel, gegen dessen Sog er wehrlos war. Er hörte wieder Schreie und Tumult, als Judith von groben Händen weggerissen wurde.
    Sie schrie einmal kurz auf, und mit einem letzten Blick sah Johannes, wie sie sich den Dolch selbst in den Bauch stieß.
    » Roste da und lass mich sterben !«, rief sie und brach vor einem Paar glänzend polierter schwarzer Lederstiefel zusammen.
    Dann sah und hörte Johannes sehr lange nichts mehr.

Berlin, über 70 Jahre später
    »Also, du mit den langen braunen Haaren und den dunklen Augen – wie heißt du noch mal? Du bist jetzt mal ein Tisch.«.
    »Caroline«, sagte sie leise.
    »Was?«
    Sie räusperte sich, um ihre Stimme zu finden. »Wie bitte? Ich heiße Caroline.«
    Der Regisseur zuckte mit den Schultern. Er trug einen schwarzen Rolli zu einer schlabberigen schwarzen Hose, und der dicke Rand seiner Hornbrille war ebenfalls schwarz, soweit sie das von der Bühne aus beurteilen konnte.
    Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?
Sie, gab Caroline vor sich selbst zu.
    Er saß zusammen mit zwei Assistentinnen und einem anderen Mann in einer der ersten Reihen des nach hinten breiter werdenden Saals, doch die Lichter blendeten Caroline.
    Er zuckte erneut mit den Schultern. »Egal. Jetzt bist du mal jemand, der ein Tisch
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