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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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Bleistift auf sie. »Die sieht ein bisschen aus wie Audrey Hepburn, oder?«
    Der Unbekannte neben ihm legte den Kopf schief. »Oder wie Penélope Cruz.«
    »Ne, die Cruz hat Arsch und Titten. Ich hab sie im letzten Jahr auf der Biennale gesehen. Wow, Mann. Aber die hier ist ’ne richtige Bohnenstange. Flach wie ein Brett, hinten und vorn. Sie sieht überhaupt zu jung aus. Wie die, die bei
Der Teufel trägt Prada
mitspielt. Hier steht, dass sie 18 ist. Aber wisch mal die Schminke ab, dann sieht die aus wie 14.«
    »Das ist für
Lulu
vielleicht gar nicht so schlecht, oder? Du wolltest doch absolute Verführung und absolute Unschuld«, sagte der andere. Plötzlich war er Caroline sympathisch.
    Der Regisseur zuckte missmutig mit den Schultern. »Lass mal, Carlos. Sie ist zu dunkel. Ich stelle mir
Lulu
eher blond vor.«
    Dem Lampenmädchen musste ein Licht aufgehen, denn Caroline spürte eine warme Welle von stummem Triumph zu ihr hinspülen. Mist, verdammter. Röte stieg ihr heiß in die Wangen, aber sie hielt dennoch den Blick gesenkt. In der hinteren Tasche ihrer Jeans vibrierte ihr Handy. Genau viermal. Das musste Mia sein. Wahrscheinlich saß sie jetzt in einem Café in Prenzlauer Berg. Ob der Tisch dort so gut und stabil war wie sie selbst gerade?
    Caroline sehnte sich plötzlich danach, bei ihr zu sein: Leute beobachten, lachen, reden, gemeinsam von ihrer großen Zukunft als Schauspielerin träumen, jede für sich mit ihren Stärken und Schwächen. Mia und sie hatten ein Motto: eine für zwei, zwei für eine. Sie würden zusammen durch dick und dünn gehen. Das war besser, als sich hier demütigen zu lassen.
    Der Regisseur öffnete zischend eine Cola. Es war fast Zeit zum Mittagessen. Die Assistentinnen verglichen gerade die Farbe ihrer langen Acrylnägel: Grün vs. Gelb. Nur der junge Typ mit dem Dreitagebart musterte Caroline noch immer. Er wirkte mehr wie ein Abiturient als wie jemand, der hier etwas zu sagen hatte. Sein Blick machte sie dennoch unsicher. Was wollte er? Sie röntgen oder ihre Eignung als
Lulu
feststellen?
    »Du, sei ein Hocker«, sagte der Regisseur zu einem Mädchen, das gerade die Bühne betrat. »Ja. Das ist klasse. Sei mal jemand, der ein Hocker ist. Roll dich zusammen. Mach dich klein. Kannst du das verinnerlichen?«
    Das Mädchen nickte und faltete sich, so eckig es ging, zu einem Hocker zusammen.
    Irgendetwas in dem Blick des jungen Dreitagebartes gab Caroline Mut. Sie stand auf und klopfte sich die Knie ihrer schwarzen engen Jeans ab.
    »He, was ist denn los?«, fragte der Regisseur und wischte sich Cola-Schaum vom Pulli. Vor Überraschung hatte er etwas von seinem Gesöff verschüttet. »Was bist du denn jetzt?«
    »Ich bin jetzt mal jemand, der nach Hause geht. Können Sie das verinnerlichen?«
    Der Regisseur sah sie mit offenem Mund an. Wahrscheinlich hatte er schon lange keinen Tisch mehr aufstehen sehen. In den Kulissen drehte sie sich noch einmal um. Der junge Dreitagebart sah ihr nach. Lächelte er? Im Halbdämmer des Theaters war es kaum zu erkennen.
    Die U-Bahn vom Rosa-Luxemburg-Platz war knackevoll.
    »Ich bin schwanger«, sagte Caroline, streckte den flachen Bauch raus und zwang einen Mann in einem teuer aussehenden Anzug zum Aufstehen. Sie ignorierte den Rest der Fahrt seine beleidigten Blicke und auch alle anderen Passagiere: eine Gruppe kichernder Teenager, die ihre iPhones verglichen; einen Penner mit seinem Hund, dem bei der Hitze die rosa Zunge aus dem offenen Maul hing; einen Bauarbeiter, der leise schnarchte. Leute, die ins Nichts sahen.
    Caroline setzte die Kopfhörer ihres iPods auf, den sie sich von einem Synchronisationsjob geleistet hatte. Leider war die Telenovela, in der sie der heißblütigen Heldin ihre Stimme geliehen hatte, schon bald wieder abgesetzt worden. Jobs wie diese waren Brot und Butter für junge Schauspieler und sehr begehrt.
    Caroline hielt die Augen gesenkt, denn sie wollte niemanden ansehen. Ihre Jeans waren vom Knien auf der Bühne staubig und ihr hellrosa V-Ausschnitt-T-Shirt auch. Mist, jetzt musste sie wieder waschen. Hoffentlich war die Wasserrechnung beglichen.
    Plötzlich zitterte sie vor Wut, ohne sagen zu können, ob es Zorn auf den Regisseur oder sich selbst war. Sie hätte die Rolle so dringend gebraucht!
    Caroline drehte den iPod lauter und ließ die Musik von
Astor Piazzola
über sich hinwegspülen. Tango und Steppen waren ihre Lieblingsstunden an der Schule gewesen. Alles, was eben mit Musik und Bewegung zu tun hatte. Sie würde
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