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Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht

Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht

Titel: Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
Autoren: Melissa Marr
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Fingern nicht zu nahe zu kommen, da sie fürchtete, die Berührung könnte es noch schlimmer machen – und stopfte ihn in die Tasche. Passiver Widerstand , dazu würde Grams ihr raten. Steh es durch und dann hau ab.
    Eddy beobachtete sie; die Totenbleiche auch.
    Der Elf beugte sich zu ihr hin und flüsterte: »Ich würde dich so gern kennenlernen …« Er schnüffelte an ihr, als wäre er tatsächlich eine Art Tier, genau wie die, die weniger menschenähnlich aussahen. »Ehrlich.«
    Errege niemals die Aufmerksamkeit von Elfen – das wäre die Regel Nr. 1 gewesen. Ashlyn stolperte fast, als sie versuchte zu fliehen – vor ihm und ihrem eigenen unerklärlichen Drang, einfach nachzugeben. An der Tür strauchelte sie dann tatsächlich, als die Totenbleiche ihr zuflüsterte: »Lauf, solange du noch kannst!«
    Keenan schaute ihr nach. Sie rannte nicht, aber eigentlich hätte sie es gern getan. Er konnte es spüren, ihre Angst, wie das laut pochende Herz eines erschreckten Tieres. Normalerweise liefen Sterbliche nicht vor ihm weg, und Mädchen schon gar nicht. Das hatte in all den Jahren, die er dieses Spiel spielte, bisher nur eine getan.
    Aber diese hier fürchtete sich. Wenn er die Hand nach ihr ausstreckte, wurde ihre ohnehin schon blasse Haut noch bleicher, bis sie wie ein Gespenst mit glatten blauschwarzen Haaren aussah. Zart. Dann wirkte sie noch verletzlicher, zugänglicher. Aber das kam vielleicht auch bloß daher, dass sie so schmal war. In seiner Phantasie konnte er ihren Kopf unter sein Kinn schieben und sie vollständig mit in seinen Mantel hüllen. Perfekt . Was ihren Kleidungsstil anging, würde sie ein wenig Anleitung brauchen – die einfachen Klamotten, die ihr zu gefallen schienen, mussten ausgetauscht werden, ein bisschen Schmuck dazu –, aber das war heutzutage ja unvermeidlich. Wenigstens hatte sie langes Haar.
    Auch dass sie ihre Gefühle so merkwürdig kontrollierte, würde sie zu einer wohltuenden Herausforderung machen. Die meisten Mädchen, die er auserwählt hatte, waren so leidenschaftlich und flatterhaft. Früher hatte er das für ein gutes Omen gehalten – Sommerkönigin, glühende Leidenschaft. Es war ihm passend erschienen.
    Donia riss ihn aus seinen Gedanken. »Ich glaube, sie kann dich nicht leiden.«
    »Na und?«
    Donia schürzte ihre blauen Lippen, der einzige Farbfleck in ihrem kalten, weißen Gesicht.
    Wenn er sie aufmerksam betrachtete, entdeckte er Spuren der Veränderung an ihr – die blonden Haare, die zum Weiß eines Schneeschauers verblichen waren, die Blässe, die ihre Lippen so blau wirken ließ –, aber sie war immer noch genauso schön wie damals, als sie zum Wintermädchen geworden war. Schön, aber nicht die Meine. Mit Ashlyn wird es anders sein.
    »Keenan«, zischte Donia ihn an, und mit ihrer Stimme strömte eine Wolke frostiger Luft aus ihrem Mund. »Sie mag dich nicht.«
    »Das wird sie schon noch.« Er trat aus der Tür und schüttelte den Zauber ab. Dann sagte er die Worte, die schon das Schicksal so vieler Mädchen besiegelt hatten: »Ich habe von ihr geträumt. Sie ist die, die ich suche.«
    Und damit begann Ashlyns Sterblichkeit zu schwinden. Wenn sie nicht das neue Wintermädchen wurde, gehörte sie ab jetzt ihm – was auch immer geschah.

Zwei
»[Die Sleagh Maith, oder das Gute Volk,] fürchten
auf Erden nichts mehr als kaltes Eisen.«
    Robert Kirk /Andrew Lang: Die verborgene Gemeinschaft (1893)
    Ashlyn war nach dem Annäherungsversuch des Elfen so verschreckt, dass sie unmöglich nach Hause gehen konnte. Wenn alles ruhig zu sein schien, ließ Grams sie weitgehend unbehelligt, aber kaum witterte sie Gefahr, war es mit ihrer Nachsicht vorbei. Das Risiko wollte Ashlyn lieber nicht eingehen, jedenfalls nicht, wenn es vermeidbar war. Sie musste also gegen ihre Panik ankämpfen.
    Und sie war panisch, so panisch wie seit Jahren nicht – sie war sogar ein Stück gerannt und hatte dadurch einige Elfen angezogen, die sie verfolgten. Zu Anfang waren gleich mehrere hinter ihr hergejagt, doch dann hatte eine der Wolfselfen die anderen angeknurrt, bis sie von ihr abließen – alle, bis auf eine. Sie trabte auf allen vieren neben Ashlyn her, während sie die Third Street hochlief. Das kristalline Fell der Wolfselfe erzeugte eine schaurig-schöne Melodie wie von einem Glockenspiel – als wollte sie den Zuhörer einlullen und ihm Vertrauen einflößen.
    Ashlyn drosselte ihr Tempo. Sie hoffte, die Elfe auf diese Weise zu entmutigen, hoffte, dass die
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