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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter
Autoren: P. G. Wodehouse
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Ungläubig gelacht. Nicht, daß er Mädchen nicht gemocht hätte. Er hatte immer viel für sie übrig gehabt. Aber sie waren gewissermaßen nur dazu da, die Mußestunden eines Finanzgenies zu versüßen. Vor sechs Monaten war er noch der dynamische, harte Geschäftsmann, der völlig in der Führung des Hot-Spot-Clubs aufging.
    Aber jetzt stand er da, trat von einem Fuß auf den anderen und blickte bei jedem Geräusch hoffnungsvoll auf, während die Sekunden nur träge verrannen. Dann kam in die Eintönigkeit ein wenig Abwechslung durch eine Wespe, die ihn in den Handrücken stach. Er hopste gerade hin und her und leckte seine Wunden, als er das Wesen seiner Träume den Gartenpfad herunterkommen sah.
    »Ah!« rief Hugo.
    Er brach das Hopsen ab und lief ihr entgegen, um sie zu umarmen. Manche raten bei Wespenstichen zu dem althergebrachten Umschlag mit essigsaurer Tonerde, aber Hugo zog diese Behandlung vor.
    Zu seinem Erstaunen wich Millicent ihm aus. Und sie war nicht das Mädchen, das normalerweise bei sowas auswich.
    »Was ist denn los?« fragte er gequält. Ein süßer Augenblick schien ihm versalzen.
    »Nichts.«
    Hugo war betroffen. Es gefiel ihm nicht, wie sie ihn ansah. Ihre blauen Augen waren hart wie Granit.
    »Ich bin gerade von einer Riesenwespe gestochen worden«, sagte er.
    »Sehr schön!« sagte Millicent.
    Ihre Äußerung gefiel ihm noch weniger als ihr Aussehen.
    Hugos Betroffenheit nahm zu.
    »Sag mal, was ist denn los?«
    Der Härtegrad ihrer Augen erhöhte sich.
    »Du fragst, was los ist?«
    »Ja – was ist los?«
    »Ich werde dir sagen, was los ist.«
    »Na, was ist los?«
    Er hoffte auf eine Erklärung, aber sie hüllte sich in eisiges Schweigen.
    Hugo brach es, indem er sagte: »Weißt du, ich habe diese Heimlichtuerei gründlich satt. Um dich mal für fünf Minuten zu sehen, muß ich mir jedesmal einen falschen Bart ankleben und mich im Gebüsch verstecken. Ich weiß, daß die Keeble mich für eine Kreuzung zwischen einem Aussätzigen und einer Stinkmorchel hält, aber mit dem alten Herrn verstehe ich mich bestens. Ich parliere mit ihm über Schweine. Man könnte fast sagen, er frißt mir aus der Hand. Warum gehst du nicht einfach zu ihm und sagst ihm klipp und klar, daß wir uns lieben und heiraten wollen?«
    In Millicents versteinertem Gesicht klaffte für einen Augenblick ein bitterböses Lächeln, das nichts Gutes verhieß.
    »Warum sollten wir Onkel Clarence belügen?«
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte, warum sollten wir ihm etwas erzählen, das nicht wahr ist?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Vielleicht«, sagte Millicent frostig, »sollte ich gar nicht mehr mit dir reden – weder in dieser noch in der nächsten Welt. Es hängt alles davon ab, wie gut du im Erklären bist. Ich weiß aus sicherer Quelle, daß du mit einer Revuetänzerin liiert bist. Wie steht es damit?«
    Hugo schwankte. Aber selbst der Heilige Antonius hätte geschwankt, wenn man ihm plötzlich mit solchen Anwürfen gekommen wäre. Auch die besten von uns brauchen in einer solchen Situation etwas Zeit, um ihr Gewissen instand zu setzen. Nach einem kurzen Augenblick war er wieder auf dem Posten.
    »Das ist eine Lüge!«
    »Sie heißt Brown.«
    »Kein Wort davon stimmt. Ich habe Sue Brown nicht mehr gesehen, seit ich dich traf.«
    »Nein. Du warst die ganze Zeit hier.«
    »Und als ich sie noch sah – du liebe Zeit, ich habe nie etwas anderes als reine, unschuldige, hundertprozentig brüderliche Gefühle für sie gehegt. Eine Seelenfreundschaft. Brüderlich. Sonst gar nichts. Ich ging gerne tanzen und sie ging gerne tanzen, und unsere Schritte harmonierten. Da sind wir eben gelegentlich ausgegangen, um das Tanzbein zu schwingen. Mehr war da nicht. Ganz brüderlich. Sonst nichts. Ich habe mich als eine Art Bruder gefühlt.«
    »Soso, Bruder.«
    »Ganz wie ein Bruder. Bitte«, sagte Hugo beschwörend, »stelle dir Sue Brown nicht etwa als Vamp vor, mein Schatz. Das wäre ganz abwegig. Sie ist ein wirklich ganz reizendes Mädchen.«
    »Aha, reizend.«
    »Ein entzückendes Mädchen. Große Klasse. Einfach wundervoll.«
    »Sicherlich auch hübsch?«
    Der gesunde Menschenverstand der Carmodys meldete sich fünf Minuten vor zwölf zu Wort.
    »Hübsch nicht«, sagte Hugo entschieden. »Nicht hübsch, nein. Gar nicht hübsch. Alles andere als hübsch. Hat überhaupt keinen Sex-Appeal, die Ärmste. Aber nett. Ein feiner Kerl. Anständig. Wie eine Schwester.«
    Millicent dachte nach.
    »Hm«, sagte sie.
    Ringsumher lauschte die Natur
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