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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter
Autoren: P. G. Wodehouse
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atemlos. Die Vögel unterbrachen ihren Gesang, die Insekten ihr Summen. Es war, als werde jeden Augenblick der alles entscheidende Spruch der Geschworenen erwartet.
    »Na schön«, sagte sie schließlich. »Ich werde dir wohl glauben müssen.«
    »Das ist ein Wort!«
    »Aber vergiß nicht, Freundchen, noch eine falsche Bewegung …«
    »Wo werde …«
    »Noch so ein Anfall brüderlicher Gefühle …«
    »Wie könnte …«
    »Also gut.«
    Hugo holte tief Luft. Er fühlte sich wie einer, der gerade einer gereizten Löwin entronnen ist.
    »Hurra!« rief er. »Zwei Herzen und ein Schlag!«
5
    Blandings Castle lag schläfrig im Dämmerlicht. Seine verschiedenen Bewohner waren auf verschiedene Weise beschäftigt. Clarence, der neunte Earl von Emsworth, hatte sich nach vielen, sehnsüchtig rückwärts gewandten Blicken von der Kaiserin in ihrem Gemach getrennt und blätterte jetzt in seiner abgegriffenen Ausgabe von ›Englische Zuchtschweine‹. Der Ehrenwerte Galahad las, nachdem er die Parsloe-Burper-Geschichte beendet hatte, sein Tagewerk durch mit dem zufriedenen Gefühl des Künstlers, daß dies genau das war, was die Leute haben wollten. Butler Beach klebte das Foto des Ehrenwerten Galahad ins Album. Millicent betrachtete sich ein wenig nachdenklich in ihrem Schlafzimmerspiegel. Hugo übte im Billardzimmer geistesabwesend Karambolagen und dachte sehnsüchtig an seine Liebste sowie gelegentlich daran, daß eine Spritztour nach London ein nettes Pläsierchen wäre, wenn sich’s einrichten ließe.
    Und in ihrem Boudoir im zweiten Stock saß Lady Constance Keeble mit einem Federhalter in der Hand vor einem Blatt Briefpapier.
    »Lieber Mr. Baxter«, schrieb sie.

Die Macht der wahren Liebe
1
    Der strahlende Sonnenschein, der Blandings Castle so reizvoll erscheinen ließ, fand weniger Beifall bei jenen englischen Werktätigen, deren Pflichten sie zum Verbleib in London zwangen. In seinem Büro über den Räumen des Regal Theatre in der Shaftesbury Avenue vertrat Mr. Mortimer Mason, der korpulente Seniorpartner der Theateragentur Mason & Saxby die Ansicht, daß ein Tiefdruckkeil vor Island genau das sei, was das Vaterland zur Zeit am dringendsten benötige. Nicht nur, daß die Julihitze ihn nach Luft schnappen ließ wie einen Fisch auf dem Trockenen – sie ruinierte ihm auch das Geschäft. Erst gestern abend hatte er, um die Kosten zu reduzieren, zwei Revuetänzerinnen aus der Show unten im Theater entlassen müssen, und es ging ihm gegen den Strich, Revuetänzerinnen zu entlassen. Er war ein gutherziger Mensch, und da er selbst mal auf der Bühne gestanden hatte, wußte er, was es hieß, mitten im Sommer auf der Straße zu sitzen.
    Es klopfte an der Tür. Der Zerberus in Menschengestalt, der das Vorzimmer bewachte, kam herein.
    »Was ist?« fragte Mortimer Mason matt.
    »Miss Brown möchte Sie sprechen, Sir.«
    »Welche Miss Brown? Sue?«
    »Ja, Sir.«
    »Selbstverständlich.« Mr. Masons Gesicht hellte sich auf, ungeachtet der Hitze. »Ist sie draußen?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann herein mit ihr.«
    Mortimer Mason empfand für diese Sue Brown väterliche Gefühle. Er hatte sie gern wegen ihrer stets gleichbleibenden Fröhlichkeit und ihres soliden Könnens. Vor allem aber hatte er sie ins Herz geschlossen, weil sie Dolly Hendersons Tochter war. London war voll von älteren Herren, die ins Schwärmen gerieten, wenn sie an Dolly Henderson dachten und an die gute alte Zeit, als das Herz noch jung war und die Taille erkennbar. Er hievte sich aus seinem Schreibtischsessel, ließ sich aber gleich wieder zurückfallen mit dem Gefühl, daß ihm ein Unrecht geschehen sei.
    »Du meine Güte«, stöhnte er. »Wie kann man nur so frisch aussehen!«
    Dieser Vorwurf war begründet. An einem Nachmittag, wenn der Asphalt auf der Straße Blasen wirft und Theaterdirektoren im Sitzen zerschmelzen, hat ein Mädchen einfach nicht das Recht, auszusehen wie eine taubedeckte Rose aus einem kühlen Garten. Und nach Mr. Masons Ansicht legte es dieses Mädchen geradezu darauf an, so auszusehen. Sie war ein zierliches kleines Ding mit einem Gesicht, das nur aus großen Augen und einem glücklichen Lächeln bestand. Sie hatte die Figur einer Tänzerin, und alles an ihr war jugendfrisch.
    »Tut mir leid, Pa.« Sie lachte, und Mr. Mason seufzte schwach. Ihr Lachen erinnerte ihn – denn er hatte eine poetische Ader – an das helle Klingen von Eiswürfeln in einem Cocktailglas. »Schau einfach nicht her.«
    »Na, Sue, was gibt’s? Willst du mir
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