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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück
Autoren: Luanne Rice
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neben ihres gelegt. Wenn er sich an den Planken des Pavillons über der hölzernen Strandpromenade herunterhangelte, hatte er sich stets vergewissert, dass sie zusah. Auf dem Floß pflegte er direkt vor ihr abzuspringen, wie eine abgefeuerte Kanonenkugel; sein Körper schoss wie eine Rakete durchs Wasser, tauchte neben ihr auf, und er streifte sie mit seinen Armen und Beinen, wenn er an ihr vorüberschwamm, so dass ihr Herz schneller schlug und ihre Haut prickelte. Seine Aufmerksamkeit hatte ihr geschmeichelt – und sie ein wenig verwirrt.
    Sie schienen völlig gegensätzlich zu sein.
    Sie war still und zurückhaltend. Als ihre Klassenkameraden aus der Junior High sie zur Ballkönigin wählten, hatte sie das Ganze für einen Scherz gehalten – sie hatte kaum den Nerv gehabt, mit ihrem Partner zu tanzen, einem Jungen, der genauso schüchtern war wie sie, der den ganzen Abend kaum mehr als zehn Worte mit ihr gewechselt und nicht einmal den Mut aufgebracht hatte, ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Sie war eine fleißige Schülerin und liebte die Natur.
    Aber sie waren beide an der Küste aufgewachsen; wie viele andere Paare, die aus Hubbard’s Point stammten, hatten sie das Freilichtkino am Strand besucht, sich unter der Milchstraße geküsst, ihre Initialen in die Tische des Foley’s geritzt. Ihre gemeinsame Geschichte und die Beziehung zum Meer waren zwingend und unübersehbar. Trotz aller Gegensätze gehörten sie zusammen, durch Sand, Salz und die Kiefern ihrer geliebten Landspitze miteinander verbunden.
    Sie waren Freunde fürs Leben; sie würden zusammen alt werden, gemeinsam mit Tara, eine einzige glückliche Großfamilie, die seit der dritten Generation in Hubbard’s Point ansässig war.
    Unmittelbar auf den College-Abschluss folgte der längste Tag des Jahres: Sean hatte sie mit seinem Boot abgeholt, sie neben sich am Ruder platziert, den Motor angelassen und war mit Vollgas in den Sund hinausgeprescht. Das Licht war hell, wirkte unvergänglich. Die Zeit schien stillzustehen, die Sonne stand noch lange hoch am Himmel. Sie hatten sich auf den Planken des Bootes geliebt und auf den Einbruch der Dunkelheit gewartet. Weit draußen im Sund, an der Grenze zum offenen Meer, wo die Wellen riesig waren. Bay hatte sich gefürchtet, doch die Gefahr hatte Seans Erregung nur noch gesteigert.
    »Mach nicht so ein besorgtes Gesicht«, hatte er gesagt und ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen.
    »Ich habe Angst, dass wir kentern.«
    »Und wennschon! Ich schwimme mit dir auf dem Rücken ans Ufer zurück!«
    Bay hatte einen Schauder verspürt, der Gedanke gefiel ihr, aber es war ihr nicht gelungen, den Anflug von Panik zu verscheuchen, der sie ergriff, als die Wellen immer höher wurden und der Wind auffrischte.
    »Lass uns nach Hause fahren, Sean,« hatte sie gedrängt.
    »Erst wenn es dunkel ist. Und vielleicht nicht einmal dann. Nach Hause können wir immer noch. Lass uns irgendwo hinfahren, wo wir noch nie waren – raus in den Golfstrom, dort schalten wir den Motor aus und lassen uns treiben, wohin der Wind uns weht …«
    Sie wusste, dass er sie beobachtete, ihre Reaktion testen wollte: Seine Augen glitzerten mutwillig, diabolisch. Er zog sie gerne auf, aber an jenem Abend hatte sie das Gefühl, dass er es ernst meinte.
    »Also gut,« erwiderte sie tapfer. »Fahren wir.«
    »Das gefällt mir an dir, Bay. Wir werden uns gemeinsam den Wind um die Nase wehen lassen. Abenteuer erleben, etwas von der Welt sehen. Höhenflüge erleben, der Sonne entgegen.«
    »Wie wäre es mit dem Mond, Sean? Würdest du mich stattdessen dorthin mitnehmen?« Der Mond war ihr von einem anderen Mann versprochen worden, zu einer anderen Zeit.
    »Den Mond kann jeder erreichen«, hatte Sean verächtlich erwidert. »Für mich muss es die Sonne sein. Der Mond spiegelt nur die Glut der Sonne wider, hat keine eigene Hitze. Ich brauche Feuer in meinem Leben, Bay. Jammerschade, dass keiner von uns beiden aus reichem Hause stammt, dann hätten wir von Anfang an aus dem Vollen schöpfen können. Warum besitzt du eigentlich kein Treuhandvermögen?«
    Das sollte ein Scherz sein, aber er machte ihn verdächtig oft.
    »Weil meine Vorfahren genug damit zu tun hatten, die Hungersnot zu überleben, in der es nicht einmal Kartoffeln gab, geschweige denn Geld, um in den Aktienmarkt einzusteigen. Und deine Vorfahren auch.«
    Wut blitzte in seinen Augen auf, er hasste es, von ihr daran erinnert zu werden. Er öffnete den Mund, als wollte er sie abkanzeln, doch
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