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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest
Autoren: Frank Goosen
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wie war die Beerdigung?«
    »Da hast du nix verpasst. Weißt du, wenn so ein Alter abtritt, dann ist ja nicht viel los, und es regt sich auch keiner so richtig auf. Dem seine Zeit war einfach abgelaufen. Beerdigung, da musst du hin, wie du zum Arzt musst. Nicht gerne, aber du machst es. Man hat ja auch Zeit. Und Kaffee und Kuchen für umsonst. Und die Männer haben sich natürlich einen angesoffen. So ist wenigstens immer was los. Wenn ich mal gehe, sollt ihr auch schön feiern.«
    »Ach, bis dahin, Omma!«
    »Kann morgen vorbei sein. Kann man ja nix dran ändern, also muss man da kein Theater machen. Ich sach immer: Ihr sollt nicht heulen, dass ich weg bin, ihr sollt feiern, dass ich da gewesen bin.«
    Ein paar Sekunden schweigen sie. Dann sagt Omma Luise: »Du bist jetzt zehn Jahre weg, aber du konntest immer nach Hause kommen. Wo willst du hin, wenn das Haus weg ist?«
    Stefan weiß, was sie meint, aber er hat darauf keine Antwort. Hier, in seiner Heimatstadt ins Hotel? Kann er sich nicht vorstellen. Wahrscheinlich könnte er bei Frank Tenholt unterkommen. Dessen Haus ist groß genug. Aber das wäre nicht dasselbe.
    »Und was hast du heute noch so vor?«, hilft Omma Luise ihm aus diesen Gedanken.
    »Ich hab volles Programm. Gleich besuche ich den Frank Tenholt, dann muss ich mit Toto Starek einen Schrank aus Dortmund abholen, dann ist Sommerfest bei der Spielvereinigung, dann der Termin mit dem Makler und dann malsehen. Und morgen ist ja diese Geschichte mit der Autobahn.«
    »Und wann triffst du dich mit der Charlotte?«
    »Ich habe sie noch nicht erreicht.«
    »Ja, ja, die hat immer ’ne Menge um die Ohren, die Charlotte.«
    Stefan zögert, die Frage, die ihm auf der Zunge liegt, wirklich zu stellen. Aber dann siegt seine Neugier. »Hast du mal wieder was vom Willy gehört?«
    Omma Luises Blick verändert sich, wird weicher. Dann kann man ihr praktisch dabei zugucken, wie sie sich zusammenreißt.
    »Ach, geh mir weg mit dem alten Preisboxer! Der hockt da oben an der Nordsee und lässt es sich gut gehen.«
    »Ich dachte, der hätte sich mal gemeldet.«
    »Und ihr Blagen seid ja praktisch in dem seine Spelunke groß geworden! Da wundert man sich, dass aus der Charlotte noch was geworden ist.«
    »Und aus mir nicht?«
    »Unterm Tisch habt ihr da immer gehockt! Erinnerst du dich eigentlich da dran?«
    Natürlich erinnert er sich. Ob er will oder nicht.
    Zum Beispiel an diesen Tag im Sommer ’71, natürlich ein toller Sommer, kurz vor Hammer-Sommer, ein Sommer, der richtig knorke war, weil ja früher alles besser war, vor allem die Sommer. Stefan erinnert sich sehr gut an diesen Tag, obwohl er erst fünf war. Seine Erinnerung ist immer wieder aufgefrischt worden, weil die Beteiligten die Geschichte oft und gern erzählt haben, die Geschichte von dem Tag, als sich die Erde auftat, weil zwei Kinder sich küssten.

    Es war heiß, durch die farbigen Scheiben von Haus Rabe fiel Sonnenlicht, der Holzfußboden knackte vor Hitze. Der Masurische Hammer stand hinterm Tresen und zapfte, obwohl nicht viel los war, später Nachmittag, zwei Leute am Tresen, Onkel Hermann, der Frühschicht hatte, sowie der unvermeidliche Dieter Decker, über den Dieter Mehls sagte, er schäme sich, den gleichen Vornamen zu haben. Dieter Decker hatte einen Sohn, den hat er Dirk genannt, damit das mit der Alliteration zur Familientradition wird. Dirk würde man später Diggo nennen. Ein bisschen Angst hatte man damals schon vor ihm, denn was er mit Fliegen und Schnaken und Spinnen machte, wollte man eigentlich nicht sehen.
    Es war August, der VfL hatte gerade sein erstes Bundesligaspiel gewonnen, und auf dem Mond fuhren sie Auto, mit einem speziell gebauten Jeep, und Stefan erinnert sich noch heute, dass ihn das ungemein beeindruckte. Jeep fahren auf dem Mond, so wie District Officer Hedley in Afrika, bei Daktari.
    An diesem Nachmittag aber fuhr er nicht Jeep auf dem Mond, sondern hockte mit Charlotte Abromeit, der Enkelin des Masurischen Hammers , unter einem Tisch in dessen Kneipe und spielte Höhle. Und weil das, was an diesem Nachmittag passierte, so toll war, konnte Stefan sich noch Jahre später daran erinnern, was sie damals anhatte: eine kurze Jungens-Hose nämlich und ein rotes T-Shirt mit ihrem Namen drauf.
    Sie hatten gerade so getan, als hätten sie Feuer gemacht, als Charlotte sagte, sie gehe jetzt raus, um ein Mammut zu erlegen, Stefan solle mal schön auf das Feuer aufpassen. Seit sie dieses neue Was-ist-Was-Buch geschenkt bekommen
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