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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest
Autoren: Frank Goosen
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hatte, wollte sie nur noch solche Sachen spielen.Charlie, dachte Stefan später mal, wird immer die sein, die rausgeht, um ein Mammut zu erlegen, aber nach Stefan keine Männer mehr fand, die bereit waren, auf das Feuer aufzupassen.
    »Ich hab gestern schon auf das Feuer aufgepasst, und du warst jagen, hast aber nichts gefangen«, erwiderte Stefan, obwohl er wusste, dass es nichts brachte.
    »Weil der Säbelzahntiger dazwischengekommen ist«, sagte Charlotte. »Es ist ganz schön gefährlich da draußen!«
    »Dann hätten wir ja den Säbelzahntiger essen können.«
    »Aber den habe ich doch nur verwundet, und der ist abgehauen.«
    »Jedenfalls haben wir nichts zu essen.«
    Charlotte rückte einen halben Meter von ihm weg und schmollte.
    Die Tür ging auf und ein paar Füße kamen herein. Stefan steckte kurz den Kopf aus der Höhle und erkannte den alten Jebollek, dem die Kneipe früher gehört hatte. Willy Abromeit und Jebollek gaben sich über dem Tresen die Hand, Onkel Hermann tippte sich mit der Spitze des Zeigefingers an die Stirn, und Decker lehnte sich zurück und sang volle Pulle: »Du altes Arschloch! Du lebst ja immer noch!«
    Charlotte sagte noch immer nichts, also hörte Stefan zu, was die Erwachsenen redeten.
    »Die Rosi hat geschrieben«, sagte Jebollek, legte einen Umschlag vor sich hin, setzte einen Fuß auf die Reling am unteren Ende des Tresens und schwang sich auf einen Hocker. Er war zu klein, um direkt draufzurutschen.
    Den Namen Rosi hatte Stefan damals zwar schon ein paarmal gehört, aber mit seinen fünf Jahren nicht einordnen können, was sie für die restlichen Anwesenden bedeutete. Die schöne Rosi hatte man sie immer genannt, die Tochter des alten Rabe, die jeden hätte haben können, am liebsten aber mit dem einen ganzen Kopf kleineren Willi Jebollek tanzte. Aber dann kam der Krieg, und der Willi war weg, und plötzlich kletterte da dieser Joe aus einem amerikanischen Panzer und nahm die schöne Rosi mit übern Großen Teich. Einmal nur war sie zurückgekommen, aber offenbar schrieb sie noch immer Briefe.
    »Und?«, fragte Willy Abromeit.
    »Geht ihr gut. Zwo Blagen hat sie. Aber das wusste ich schon. Bilder hat sie beigelegt.«
    Jebollek nahm ein Blatt Papier und mehrere Fotos aus dem Umschlag. Onkel Hermann kam näher, Willy Abromeit beugte sich vor, Decker bebrütete sein Bier. Was die Männer sahen, gefiel ihnen.
    »Die Rosi!«, sagte Onkel Hermann.
    »Was für’n Schlitten!«, staunte Willy Abromeit.
    »Pontiac«, sagte Jebollek. »Richtiger Straßenkreuzer.«
    Stefan drehte sich zu Charlotte um, die immer noch schmollte. Oder wenigstens so tat. Sie wollte, dass Stefan das Schweigen brach, dann hätte sie gewonnen. Er tat ihr den Gefallen und sagte: »Die Rosi hat geschrieben.«
    »War ’ne Schlampe«, erwiderte Charlotte. »Hat meine Mutter gesagt. Hat den Kerlen den Kopf verdreht, sagt sie.«
    »Kopf verdreht? Was soll das denn heißen.«
    »Du musst noch viel lernen!«, sagte Charlotte und rutschte nach vorne zum Höhlenausgang, um selbst mitzukriegen, was da draußen vorging.
    »Ich weiß noch«, sagte Onkel Hermann gerade, »als die das letzte Mal hier war. Wie lange ist das jetzt her? Zwölf, dreizehn Jahre?«

    »Fast vierzehn«, sagte Jebollek. »November siebenundfünfzig. Die Russen hatten gerade diesen Köter ins All geschossen.«
    »Da war die Rosi hier«, fuhr Onkel Hermann fort und blickte durch die Wand hinterm Tresen hindurch bis nach Amerika oder auf den Mond oder noch weiter ins Weltall, und überall schien er die Rosi zu sehen. »Der Wolfgang und ich haben sie getroffen.«
    Das ist aber ein ganz komischer Ton, in dem Onkel Hermann heute spricht, dachte Stefan.
    »Und sie war in diesem Auto hier.«
    »Cadillac Eldorado«, sagte Jebollek. »Baujahr fünfundfünfzig. Hat sich ihr Mann bei einem anderen Soldaten in Frankfurt geliehen, nur um uns damit zu beeindrucken.«
    »Ich würde sagen, das hat funktioniert«, sagte Willy Abromeit.
    »Das Auto hat uns nicht so sehr beeindruckt wie die Frau«, sagte Onkel Hermann.
    »Da kannst du sicher sein«, meinte Jebollek.
    »Schlampe ist das«, schaltete sich jetzt der besoffene Decker ein. »Immer gewesen.«
    »Verreck doch, du Arschloch!«, rief Jebollek.
    Decker machte eine Handbewegung, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Du hättest die doch haben können, hat mein Vatta gesagt! Aber du warst zu blöd!«
    Jebollek krallte sich am Handlauf des Tresens fest.
    »In Gefangenschaft war er«, verteidigte Onkel Hermann den
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