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Sommer

Sommer

Titel: Sommer
Autoren: Hermann Hesse
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unschuldvolles Lied ich singe.
    Gelb zu Gelb, und Gelb zu Rot gesellt,
Kühle Bläuen rosig angeflogen!
Licht und Farbe schwingt von Welt zu Welt,
Wölbt und tönt sich aus in Liebeswogen.
    Geist regiert, der alles Kranke heilt,
Grün klingt auf aus neugeborener Quelle,
Neu und sinnvoll wird die Welt verteilt,
Und im Herzen wird es froh und helle.
/ SPÄTSOMMER /
(1932)
    Noch einmal, ehe der Sommer verblüht,
Wollen wir für den Garten sorgen,
Die Blumen gießen, sie sind schon müd,
Bald welken sie ab, vielleicht schon morgen.
    Noch einmal, ehe wieder die Welt
Irrsinnig wird und von Kriegen gellt,
Wollen wir an den paar schönen Dingen
Uns freuen und ihnen Lieder singen.
    // In den Sommermonaten ist mein Hauptberuf nicht die Literatur, sondern die Malerei, und so saß ich denn, soweit die Augen es erlaubten, recht fleißig an unsern schönen Waldrändern unter den Kastanien und aquarellierte die heiteren Tessiner Hügel und Dörfer, von denen ich mir schon vor zehn Jahren einbildete, daß kein Mensch auf der Erde sie so innig kenne wie ich, und die ich seither noch um so vieles genauerhabe kennenlernen. Meine Bildermappe wurde dicker, und so sachte und unmerklich wie jedes Jahr wurden die Felder gelber, die Morgenfrühen kühler, die Abendberge violetter, und in mein Grün mußte ich immer mehr Gelb und Rot mischen. Plötzlich waren die Kornfelder leer, die rote Erde forderte Caput mortuum und Krapplack, und die Maisäcker waren golden und blaßblond, es war September geworden und die Klarheit der Nachsommertage begann. Zu keiner Zeit spüre ich wie in diesen Tagen den Ruf der Vergänglichkeit, zu keiner andern Zeit des Jahres trinke ich die Farben der Erde so in mich ein, so gierig zugleich und so sorgfältig, wie ein Zecher das letzte Glas eines edlen Jahrgangs. Auch hatte ich mit meiner Malerei, in der ich ein wenig ehrgeizig bin, einige kleine Erfolge gehabt, ich hatte einige Blätter verkauft, und eine deutsche Monatsschrift hatte darein gewilligt, daß der Aufsatz eines Schriftstellers über die Tessiner Landschaft von mir illustriert werde, ich hatte schon die Abzüge der Bildchen gesehen und hatte mein Malerhonorar bekommen und spielte gern mit dem Gedanken, daß es mir vielleicht doch noch glücken könnte, der Literatur ganz zu entrinnen und mich mit dem mir sympathischeren Handwerk des Malers durchzubringen. Es waren einige gute Tage. Als ich mir nun aber in der Freude die Augen überanstrengte und nicht mehr malen konnte, und der Herbst in vielen Zeichen spürbar zu werden begann, da kam Unruhe über mich. Wenn nun doch einmal mein jetziger Lebenszustand im Abbau begriffen war, wenn ich doch zum Wechsel, zu Änderung und Reise entschlossen war, dann hatte es keinen Sinn, damit noch lange zu warten.
    (Aus: »Die Nürnberger Reise«, 1925)
    // Lieber Freund!
Auch dieser außerordentliche Sommer muß einmal zu Ende gehen, schon haben die Berge jene überklare Modellierung und jenes luftige, dünne süße Blau, das für den September charakteristisch ist; schon wieder sind am Morgen die Wiesen so schwer naß, und im Laub der Kirschbäume fängt schon sachte der Purpur, im Akazienlaub das Goldgelb an spürbar zu werden. Da es in diesem Sommer sogar dort oben in Ihren Eskimoländern nördlich des Mains ganz hübsch warm gewesen ist, können Sie sich denken, daß wir hier unten im Süden auch nicht zu frieren brauchten. Wenn jene hübsche Theorie richtig wäre, daß der Mensch in den heißen Monaten weniger an Gicht und Ischias zu leiden habe als im Winter, dann hätte es mir diesen Sommer recht gut gehen müssen. Schade, daß die Theorie so gar nicht stimmt!
    Nun, trotz der Hitze und trotz des Krankseins habe ich den Sommer nicht verloren. Ich habe jenes Glück genossen, das durch körperliche Schmerzen nicht zu zerstören ist, das beste und einzige Glück für unsereinen: an der Arbeit zu sitzen, etwas zu schaffen, produktiv zu sein. Was für eine Arbeit es ist, an der ich bin, das werden Sie heute aber nicht erfahren, in ein paar Jahren werden wir dann darüber reden. Ich bewundere und beneide immer diese Dichter, von denen Jahr für Jahr die wohlunterrichtete Presse zu melden weiß: »Herr X., unser großer Dramatiker, arbeitet zur Zeit auf seinem Landgut am Rhein an einer Komödie, deren Stoff usw. usw.« Wenn mir das einmal passieren würde, daß Name und Inhalt einer Dichtung, noch während ich an ihr arbeite, schon von den Zeitungen gewußt und verkündet würde, ich glaube, dann würde ich meine ganzen
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