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Sommer

Sommer

Titel: Sommer
Autoren: Hermann Hesse
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keinen Wert hat, weil wir die Natur doch nirgends beeinflussen können. Das einzige, was der Mensch vielleicht ein wenig beeinflussen und regieren kann, ist sein Wille, obwohl auch das ja bezweifelt werden kann. Aber jedenfallssuche ich mein bißchen etwaiger Freiheit dazu anzuwenden, den Willen der Natur zu meinem zu machen und mir einzubilden, es geschehe mit meinem Willen, wenn es schneit oder heiß ist. Ich kämpfe nicht gegen das, was über meinen Kopf hinweg die Natur tut und läßt, sondern gegen das, was in mir selber dieser ewigen Natur widersprechen und mir dadurch das Leben erschweren will. Und das ist der Punkt, auf dem wir auch in Schul- und Erziehungsfragen nie einig werden können. Ich gestehe dem Menschen jedes erdenkliche Recht wider die Natur zu, er darf sie benützen, überlisten, auf seine Mühlen lenken, aber ich finde es schade und töricht, wenn er sein bißchen Geist und Freiheit dazu benützt, sie anzuklagen oder anzuzweifeln oder sich sonst irgendwie theoretisch zu ihr zu stellen. Ich habe vor pessimistischen Philosophien, wenn sie schön und großzügig sind, denselben Respekt wie vor andern, als vor schönen und imponierenden Leistungen des Geistes, aber ich habe für praktischen Pessimismus gar keine Achtung. Sie leiden an diesem Pessimismus, und Sie sind darum nie zufrieden, weil Ihr schöner großer Beruf eigentlich als Voraussetzung gerade das Gegenteil brauchte.
    Von Sumatra aus schicke ich Ihnen wieder einmal einen Gruß. Ich weiß nicht, wie es mir dort gehen wird; aber ich habe den Willen, auch dort möglichst zu allem ja zu sagen und möglichst überall zu bleiben Ihr ergebener, doch konsequenter Gegner.
    (1911)

/ SCHEINGEWITTER /
    Der Donner spielt und knurrt wie eine Katze,
Auf seinen kleinern Trommeln phantasierend
Den halben Tag, bald schläfrig sich verlierend,
Bald ernster grollend mit gereckter Tatze.
    Aufseufzend manchmal läßt er Töne hören,
Die – noch von fern und nur erst probeweise –
Die große Untergangsmusik beschwören,
Dann tremoliert und schnarcht er wieder leise.
    Nun übt er sich in satten Paukenschlägen,
Horcht jedem lange und genießend nach,
Hört launisch wieder auf, scheint nicht mehr wach …
Und Mensch und Tier und Erde lechzt nach Regen.
/ HUNDSTAGE /
    Wie nun am dürren Ginsterhang,
Im braunen Stein, im goldnen Staub,
Im gilbenden Akazienlaub
Der Sommer seinen Überschwang
Austobt und in sich selbst verbrennt!
Aus dürrer Schote knistern schwarze Kerne,
Und abends hängen schwer die Sterne
Wie überreif am Firmament,
Das wie ein Puls im Fieber pocht
Und von verhaltnen Wettern kocht.
Wo eben noch in frohen Schauern
Das Leben feucht und spielend rann,
Keucht Sommer wütend hügelan
Der Höhe zu. Er will nicht dauern,
Er lechzt nach Rausch und Opferglück,
Ihn rief der Tod: auf hagrem Pferde
Jagt er voran und läßt die Erde
Erschöpft, verblüht, verbrannt zurück.
    Und seufzend reckt sich Laub und Gras
Und raschelt hart und klirrt wie Glas.
    // Dieser Sommer ist von indischer Glut. Auch der See ist längst nicht mehr kühl, aber am Spätnachmittag weht jeden Tag ein Wind gegen unsern Strand, dann ist es Erfrischung, in den Wellen zu baden und dann nackt im Winde zu stehen. Um diese Zeit steige ich häufig den Berg hinab zum Strande. Manchmal nehme ich Zeichenblock und Wasserfarben mit und Proviant und eine Zigarre, um den ganzen Abend da zu bleiben.
    Der Pfad führt schmal und jäh hinab, der Sonne entgegen, die von Mittag an auf diese Seite des Berges brennt. Im dünnen Leinenzeug renne ich hinab, Eidechsen stieben überallins verbrannte Gras, schon stehen hier und da einzelne Akazienzweige goldgelb, alles brennt, alles neigt fiebernd schon dem Tod und Herbst entgegen, schweigt, wartet, dürstet, senkt das Haupt. Durch die kochende Luft renne ich hinabwärts, halte mich am zähen Ginster fest, sehe die Lüfte überm nahen Maisfeld silbrig zittern, fühle den Sand und Stein durch die Sohlen brennen, fühle den Schweiß über Wangen und Hals hinabrinnen. O wie werde ich an diese Stunde denken, wenn es Herbst, wenn es Winter sein wird, wenn die letzten lila Blumen fahl im Novembergras stehen, wenn der erste Schnee am kahlen Hügel blaßt!
    Glühend breche ich durch Laub und Brombeergerank aus dem Gehölz gegen die Seestraße, biege um die Mauer, atme heranwehenden Duft von Wasser, Fisch und Schilf. Unter hohen Platanen und niederen wehenden Silberweiden auf kurzen, dicken, violetten Stämmen gehe ich den farbigen Strand entlang; auf glühendem
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