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Sommer

Sommer

Titel: Sommer
Autoren: Hermann Hesse
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noch erstaunlicher als an den Blütenkronen selbst. Hier träumen Farben, die man sonst in der Blumenwelt nicht findet, seltsam metallische, mineralische Töne, Spielarten von Grau, Grün, Bronze, die man sonst nur an den Steinen des Hochgebirges oder in der Welt der Moose und Algen finden kann.
    Sie, lieber Freund, wissen solche Dinge zu schätzen, ebenso wie Sie den besonderen Lufthauch eines edlen Weinjahrgangs oder das Flaumspiel auf der Haut einer schönen Frau zu schätzen wissen. Von Ihnen werde ich nicht, weil ich feinere Sinne und beseeltere Erlebnismöglichkeiten habe als ein Boxer, als sentimentaler Romantiker belächelt. Aber wir sind wenige geworden, lieber Freund, wir sterben aus. Versuchen Sie es einmal und geben Sie einem amerikanischen Gegenwartsmenschen, dessen Musikalität im Handhaben eines Grammophons besteht und für den ein großes Dollarkonto und ein kräftiges Auto schon zur Welt des Schönen zählen, – geben Sie einmal einem solchen Halbmenschen versuchsweise Unterricht in der Kunst, im Sterben einer Blume, inder Verwandlung eines Rosa in ein Lichtgrau, das Lebendigste und Unzerstörbarste der Welt, das Geheimnis alles Lebens und aller Schönheit, mitzuerleben! Sie werden sich wundern.
    (Aus: »Spätsommerblumen«, 1928)
/ ENDE AUGUST /
    Noch einmal hat, auf den wir schon verzichtet,
Der Sommer seine Kraft zurückgewonnen;
Er strahlt, zu kürzern Tagen wie verdichtet,
Er prahlt mit glühend wolkenlosen Sonnen.
    So mag ein Mensch am Ende seines Strebens,
Da er enttäuscht sich schon zurückgezogen,
Noch einmal plötzlich sich vertraun den Wogen,
Wagend im Sprung die Reste seines Lebens.
    Ob er an eine Liebe sich verschwende,
Ob er zu einem späten Werk sich rüste,
In seine Taten klingt, in seine Lüste
Herbstklar und tief sein Wissen um das Ende.
/ SOMMER WARD ALT … /
    Sommer ward alt und müd,
Läßt sinken die grausamen Hände,
Blickt leer übers Land.
Es ist nun zu Ende,
Er hat seine Feuer versprüht,
Seine Blumen verbrannt.
    So geht es allen. Am Ende
Blicken wir müd zurück,
Hauchen fröstelnd in leere Hände,
Zweifeln, ob je ein Glück,
Je eine Tat gewesen.
Weit liegt unser Leben zurück,
Blaß wie Märchen, die wir gelesen.
    Einst hat Sommer den Frühling erschlagen,
Hat sich jünger und stärker gewußt.
Nun nickt er und lacht. In diesen Tagen
Sinnt er auf eine ganz neue Lust:
Nichts mehr wollen, allem entsagen,
Hinsinken und die blassen
Hände dem kalten Tode lassen,
Nichts mehr hören noch sehen,
Einschlafen … erlöschen … vergehen …
    // Der unvergleichliche Sommer dieses Jahres, eines für mich an Geschenken, Festen, Herzenserlebnissen, aber auch an Plage und Arbeit überreichen Jahres begann gegen sein Ende hin etwas von seiner so freundlichen, gnädigen, heiteren Laune zu verlieren, er bekam Anfälle von Trübsinn, von Ärger und Unlust, ja schon von Überdruß und Sterbensbereitschaft. War man nachts bei hellstem Sternenhimmel zu Bett gegangen, so empfing einen zuweilen am Morgen ein dünnes, graues, müdes und krankes Licht, die Terrasse war naß und strömte feuchte Kälte aus, der Himmel ließ schlaffe, formlose Wolken bis tief in die Täler herabhängen und schien jeden Augenblick zu neuen Regengüssen bereit, und die Welt, die eben noch in Sommerfülle und Sommersicherheit geatmet hatte, roch bang und bitter nach Herbst, Verwesung und Tod, obwohl noch immer die Wälder und sogar die Grashänge, die sonst um diese Jahreszeit verbrannt und braungelb stehen, ihr festes Grün behielten. Er war krank geworden, unser eben noch so rüstiger und zuverlässiger Spätsommer, er war müde geworden, hatte Launen und »mauderte«, wie man im Schwäbischen sagt. Aber er lebte noch. Beinahe jedem dieser Anfälle von Schlaffheit, Sichgehenlassen und Verdrießlichkeit folgte ein Sichwehren und Aufblühen, ein Zurückstreben in das schöne Vorgestern, und diese Tage – oft waren es nur Stunden – des Wiederauflebens hatten eine besondere, rührende und beinah ängstliche Schönheit, ein verklärtes Septemberlächeln, in dem Sommer und Herbst, Kraft und Müdigkeit, Lebenswille und Schwächewunderbar gemischt waren. An manchen Tagen kämpfte sich diese Altersschönheit des Sommers langsam und mit Atempausen, Pausen der Erschöpfung, durch, zögernd eroberte das überklare, zarte Licht sich den Horizont und die Berggipfel, und am Abend lagen Welt und Himmel in beruhigter, stiller Heiterkeit, kühlklar und weitere helle Tage versprechend. Aber über Nacht ging alles wieder verloren,
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